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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0073
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Jungfrauensohn und Krippenkind.

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er hier von einem Gehilfen begleitet. Auf dem Dieburger Reliei
hat die Hüttenszene eine wirklich dramatische Gestaltung erfahren.
Sie nimmt ein großes Feld oberhalb des Mittelbildes ein; in der
Mitte ist die Hütte mit dem Stier zu sehen, links davon Mithras,
der offenbar einen Stein gegen das Dach der Hütte schleudert,
rechts wieder Mithras, der den Stier auf seinem Rücken davon-
trägt. Aber das Dieburger Monument ist in mancher Beziehung
einzigartig, und so ist es nicht verwunderlich, daß es dem Sinn
der Szene künstlerisch am besten gerecht wird. Die Denkmäler aus
Dacien und Pannonien geben im allgemeinen die Hütte mit dem
Stier ohne jede dramatische Bewegung wieder.
Das aber ist vielleicht nicht nur auf einen Mangel an künst-
lerischen Fähigkeiten zurückzuführen, sondern auch darauf, daß die
Bilder dieses oberen Randes auf den Donaudenkmälern mehr sym-
bolischen als epischen Wert besitzen, nicht Szenen des Mythus
darstellen sollen, sondern heilige Figuren. Das ist besonders wahr-
scheinlich, wenn man an das regelmäßige Erscheinen des Okeanos
auf diesen Bildern denkt. Die Hütte aber hat ihren Eigenwert,
auch abgesehen von dem Rinderdiebstahl durch Mithras. Sie ist
das himmlische „Haus“ des Stieres und besitzt darum wohl astralen
Charakter. Das war zu erschließen, wenn man mit der Deutung
des Stieres als eines himmlischen Wesens Ernst machte; das wird
jetzt bestätigt durch das Denkmal von Dieburg: dort finden wir
Sol und Luna auf dem Giebel der Hütte abgebildet, und zwischen
ihnen den heiligen Vogel des Sonnengottes, den Raben.
Auf den Donau-Monumenten trifft man Sol und Lnna gewöhn-
lich als Eckbilder. Damit wird wohl für die ganze obere Bilder-
reihe der himmlische Charakter angedeutet. Auch die Herdentiere
und der Hirte sind nicht abgebildet, weil Mithras bei dem Raub
des Stieres mit ihnen zu tun hat, sondern weil sie, ebenso wie
Okeanos, zur Repräsentation des Kosmos gehören. Wenn dies zu-
gegeben wird, so liegt der Schluß nahe, daß es sich bei dem Hilden
und seiner Herde um eine Beziehung zum gestirnten Himmel
handelt, und man könnte an das Attislied bei Hippolyt V 9, 9
erinnern, das mit den Worten endet: εύοΐ, εύάν, ώς Πάν, ώς Βακχεύς,
ώς ττοιμήν λευκών άστρων. Aber zunächst kommt es weniger auf
die Einzeldeutung des himmlischen Hirtensymbois an als auf die
Erkenntnis, daß die Hirten- und Herdentier-Gestalten keine be-
stimmte Funktion im Mithras-Mythus haben. Dann erklärt sich
manches, was sonst auffallen müßte: daß Hirt und Herde so selten
 
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