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Josef Koch Cusanus-Texte: 1. Predigten 2/5.

erat apud Deum“ drückt den ersten Sachverhalt aus: Gottes Er-
kenntnis weilt zunächst bei ihm selbst, d. h. sie ist Selbsterkenntnis.
Der andere Satz: ,,Quod factum est in ipso vita erat“ den zweiten:
die Geschöpfe sind Gott von Ewigkeit her im Wort gegenwärtig,
nicht in realer, sondern in idealer Existenz (n. 5). Nun wird das
Wort mit verschiedenen Namen bezeichnet, die teils den ersten,
teils den zweiten Sachverhalt wiedergeben (n. 6). Der wichtigste
Name „der Sohn“ beruht aber auf einer andern Überlegung. Denn
als Sohn — im Deutschen müßten wir eher „Kind“ sagen — be-
zeichnet man jeden lebendigen Selbstand, der aus einem andern
lebendigen Selbstand hervorgeht. Die damit gegebene natürliche
Ähnlichkeit zwischen Erzeuger und Erzeugtem kann entweder die
der Art oder der nächsten Gattung sein; bei Gott haben wir eine
Ähnlichkeit im eigentlichsten Sinne, nämlich die der Wesensiden-
tität (n. 7).
Wie man sieht, bewegt sich die ganze Predigt in den von
Augustin vorgezeichneten Bahnen der Trinitätslehre1. Das ein-
zige, was aus diesem Rahmen herausfällt, ist die eigenartige Deu-
tung von Joh. 1, 1: „Verbum erat apud Deum“.
Am Weihnachtsfest 1438 hielt Nicolaus wieder eine Predigt
über den Prolog (C 85 r; Vj^GOva—61 rb; p39v—40r)2. Sie unter-
scheidet sich von der ersten schon rein äußerlich durch die Fülle
der zitierten Literatur. Die Einleitung (n. 1—-3) ist aus Fulgen-
tius, Augustinus und Pseudo-Dionysius Areopagita kompi-
liert. Das Loblied auf die erhabene Erkenntnis des Evangelisten
(n. 5) läßt der Prediger von einem Dutzend Väter und Theologen
singen, von Origenes (richtig: Johannes Scottus Eriugena3) bis
zu Haimo von Halrerstadt und Bernhard von Clairvaux. Das
Eigentümliche dieses Entwurfs liegt aber darin, daß von der Dis-

1 Vgl. M. Schmaus, Die psychologische Trinitätslehre des hl. Augustin,
Münster 1927.
2 Die Predigt hat in C und \1 die Überschrift: ,,1438 in die Nativitatis
Confluende“. Auch hier bleibt es zweifelhaft, ob die Predigt am 25. Dezember
1437 oder 1438 gehalten wurde. — In Vx umfaßt die Predigt die Blätter 60va
bis 61 vb; das entspricht C 85r—v. Nun sieht man aber im Entwurfbuch
deutlich, daß die eigentliche Predigt nur die Vorderseite des Blattes einnimmt.
3 Cusanus sagt (n. 5; vgl. p 39v Z. 4 von unten): ,,Unde Origenes
super „In principio erat Verbum“: «Vox altivoli volatilis....».“ Das sind
die Anfangsworte der Homilie Eriugenas über den Johannesprolog (vgl. PL
122, 283), die im Mittelalter allgemein Origenes zugeschrieben wurde.
 
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