188 Josef Koch Cusanus-Texte: I. Predigten 2/5.
ein von außen in den Menschengeist eingesenktes sichtbares, vor-
stellbares oder auch nur denkbares Prinzip (n. 16). Man kann sich
die Wirksamkeit des göttlichen Geistes nur durch Bilder klar-
machen; eins bietet das Wort Christi von dem Quell, der ins ewige
Leben springt; das andere von dem Feuer, das von sich aus
weiterbrennt, wenn es nur den nötigen Brennstoff findet (n. 13—15).
Die Erläuterung von V. 38 ist fast nur ein Auszug aus Eck-
harts langer Erklärung, mag der Prediger ihn auch erst gegen
Ende (n. 29) nennen und vorher nur als quidam zitieren (n. 28).
Meister Eckhart betont vor allem zwei Gedanken, einmal die Ein-
heit des mystischen Leibes Christi, sodann den gemeinsamen Besitz
aller seiner Güter durch die Glieder. Ein Glied hat allerdings nur
dann an diesem gemeinsamen Besitz teil, wenn es den Nächsten
liebt wie sich selbst; aber auch nur dann ist es überhaupt Glied.
Diese Gedanken übernimmt Nicolaus, ohne eigene hinzuzufügen.
Es ist aber sehr lehrreich, diesen Predigtabschnitt mit den Aus-
führungen der Predigt „Dies sanctificatus“ von 1439 zu vergleichen.
Auch hier spricht Nicolaus von der Einheit der Menschen in Chri-
stus. Der Nachdruck liegt dabei auf dem Gedanken, „daß Christus
mit der Natur der Menschheit , durch welche alle Menschen Menschen
sind, in Eines zusammentrifft“ (S. 34, 23). „Unsere Natur, die von
der Christi nicht verschieden ist“, (ist) „in Christus am vollkommen-
sten“ (S. 34, 21). „Aus diesem Grunde ist Christus für jeden der
Nächste, ja um vieles näher als selbst der leibliche Vater und
Bruder; denn er ist die wesenhaft-tiefste Innerlichkeit eines jeden.
Darum werden alle unsere Mängel in ihm, der unsere Fülle und
Vollkommenheit ist, ausgeglichen; in ihm finden wir Rechtferti-
gung, in ihm sind wir heil, in ihm leben und weben wir“ (S. 36,
1 ff.). In der vorliegenden Predigt hingegen ist von der mensch-
lichen Natur als solcher gar nicht die Rede. Die ganze Betrachtung
geht von Christus aus: er verleibt uns sich als Glieder ein. Sein
geheimnisvoller Leib besteht unabhängig von dem einzelnen Glied;
nicht die einzelnen Glieder konstituieren ihn, sie werden vielmehr
in den schon bestehenden aufgenommen. Der Unterschied zwischen
beiden Auffassungen ist klar: nach „Dies sanctificatus“ ist die
menschliche Natur das entscheidende Bindeglied zwischen Chri-
stus und den Menschen, und in der Erhebung der menschlichen
Natur zur Einheit mit der Gottheit in Christus (S. 34, 9) ist alle
andere Gnade, die Gott uns zugedacht hat, gegeben. In der Pre-
digt „Loquimini“ faßt Cu sanus das Verhältnis der Glieder zum
ein von außen in den Menschengeist eingesenktes sichtbares, vor-
stellbares oder auch nur denkbares Prinzip (n. 16). Man kann sich
die Wirksamkeit des göttlichen Geistes nur durch Bilder klar-
machen; eins bietet das Wort Christi von dem Quell, der ins ewige
Leben springt; das andere von dem Feuer, das von sich aus
weiterbrennt, wenn es nur den nötigen Brennstoff findet (n. 13—15).
Die Erläuterung von V. 38 ist fast nur ein Auszug aus Eck-
harts langer Erklärung, mag der Prediger ihn auch erst gegen
Ende (n. 29) nennen und vorher nur als quidam zitieren (n. 28).
Meister Eckhart betont vor allem zwei Gedanken, einmal die Ein-
heit des mystischen Leibes Christi, sodann den gemeinsamen Besitz
aller seiner Güter durch die Glieder. Ein Glied hat allerdings nur
dann an diesem gemeinsamen Besitz teil, wenn es den Nächsten
liebt wie sich selbst; aber auch nur dann ist es überhaupt Glied.
Diese Gedanken übernimmt Nicolaus, ohne eigene hinzuzufügen.
Es ist aber sehr lehrreich, diesen Predigtabschnitt mit den Aus-
führungen der Predigt „Dies sanctificatus“ von 1439 zu vergleichen.
Auch hier spricht Nicolaus von der Einheit der Menschen in Chri-
stus. Der Nachdruck liegt dabei auf dem Gedanken, „daß Christus
mit der Natur der Menschheit , durch welche alle Menschen Menschen
sind, in Eines zusammentrifft“ (S. 34, 23). „Unsere Natur, die von
der Christi nicht verschieden ist“, (ist) „in Christus am vollkommen-
sten“ (S. 34, 21). „Aus diesem Grunde ist Christus für jeden der
Nächste, ja um vieles näher als selbst der leibliche Vater und
Bruder; denn er ist die wesenhaft-tiefste Innerlichkeit eines jeden.
Darum werden alle unsere Mängel in ihm, der unsere Fülle und
Vollkommenheit ist, ausgeglichen; in ihm finden wir Rechtferti-
gung, in ihm sind wir heil, in ihm leben und weben wir“ (S. 36,
1 ff.). In der vorliegenden Predigt hingegen ist von der mensch-
lichen Natur als solcher gar nicht die Rede. Die ganze Betrachtung
geht von Christus aus: er verleibt uns sich als Glieder ein. Sein
geheimnisvoller Leib besteht unabhängig von dem einzelnen Glied;
nicht die einzelnen Glieder konstituieren ihn, sie werden vielmehr
in den schon bestehenden aufgenommen. Der Unterschied zwischen
beiden Auffassungen ist klar: nach „Dies sanctificatus“ ist die
menschliche Natur das entscheidende Bindeglied zwischen Chri-
stus und den Menschen, und in der Erhebung der menschlichen
Natur zur Einheit mit der Gottheit in Christus (S. 34, 9) ist alle
andere Gnade, die Gott uns zugedacht hat, gegeben. In der Pre-
digt „Loquimini“ faßt Cu sanus das Verhältnis der Glieder zum