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Nochmals: Cusanus und Eckhart.

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mystischen Leibe Christi durchaus persönlich. Der gemeinsame
Besitz der menschlichen Natur mit Christus tritt völlig zurück
hinter der Tatsache der gnadenvollen Aufnahme in die Gemein-
schaft mit Christus. Darum wird jetzt auch nicht etwa Christus
seihst als unser Nächster bezeichnet, vielmehr lernen wir den Mit-
menschen als „Nächsten in Christus“ betrachten und lieben. Beide
Auffassungen schließen sich natürlich nicht aus, sondern ergänzen
einander.
Auch hier kommen wir also zu demselben Ergebnis wie bei
der Erläuterung der andern Predigten: das lateinische Schrifttum
Eckharts kann um 1440 noch keine besondere Bedeutung für Cu-
sanus gehabt haben. Soweit wir konkrete Vergleiche zwischen den
unter weitgehendem Einfluß Eckhartscher Gedanken stehenden
Predigten der fünfziger Jahre einerseits und dem Hauptwerk und
den vorher oder bald nachher abgefaßten Predigten anderseits an-
stellen konnten, führten sie zu einem negativen Ergebnis. Dabei
bleibt aber noch immer ein Weg offen, auf dem nach der Ansicht
E. Hoffmanns1 die Gedanken Meister Eckharts frühzeitig zu
Cusanus gelangt sein können: der Unterricht in Deventer. Und
es wäre sicherlich reizvoll, diesen Weg von Eckhart über Ruys-
broeck zu den Brüdern vom gemeinsamen Leben und dem jungen
Cusanus zu verfolgen.
1 Briefliche Mitteilung vom 17. Oktober 1936. Denselben Gedanken
äußert auch Dietrich Mahnke, mit dem ich um die gleiche Zeit Briefe
über die Beziehungen zwischen Cusanus und Eckhart wechselte. Aller-
dings hält er einstweilen den unmittelbaren Einfluß der Eckhart-Lektüre
auf Cusanus schon vor 1440 für wahrscheinlicher; vgl. sein neues Buch:
Unendliche Sphäre und Allmittelpunkt. Beiträge zur Genealogie der ma-
thematischen Mystik, Halle 1937, S. 146.
 
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