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Honecker, Martin; Johannes; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 2. Abhandlung): Nikolaus von Cues und die griechische Sprache — Heidelberg, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.41994#0009
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I.
Thema und Darstellungsplan.
Angesichts der großen Bedeutung, welche die griechische Gei-
steswelt für die Gestaltung der abendländischen Kultur gehabt hat,
ist es nicht ohne Belang, ob irgendein Denker, der bei der Auf-
nahme oder der Verarbeitung griechischen Gedankengutes eine
Rolle gespielt hat, selbst der griechischen Sprache kundig gewesen
ist oder nicht. Denn kundig oder unkundig sein ·— das besagt in
dem einen Falle die Möglichkeit, griechisches Denken in unmittel-
barem Herantreten an die überlieferten Schriften griechischer Auto-
ren ursprünglich und unverfälscht kennenzulernen, bedeutet im
anderen Falle aber das Angewiesensein auf Übersetzungen oder auf
eine doxographische Vermittlung ·— beides bekannte Quellen für
Verfälschung und für das Wirksamwerden eines Einflusses von
dritter Seite.
So tauchte vor rund vierzig Jahren die Frage auf, ob Thomas
v. Aquin, der bekanntlich dem lateinischen Mittelalter das aristo-
telische System neu vermittelte und dabei gegen eine entstellende
arabische Aristotelestradition zu kämpfen hatte, des Griechischen
soweit mächtig gewesen sei, daß er die aristotelischen Schriften im
Urtext habe lesen und auslegen können. Der Streit kam damals
nicht recht zum Austrag; er ging so aus, daß man sagen darf, der
Aquinate habe eine zwar nicht tiefgehende, aber doch das Elemen-
tare umfassende Kenntnis der griechischen Sprache besessen* 1.
Nun ist diese Frage nicht von ausschlaggebender Bedeutung
für die Stellung, die Thomas als Aristotelesvermittler besessen hat;
denn dem Aquinaten stand ja in den ziemlich wort- und sinn-
getreuen Übersetzungen, die Wilhelm v. Moerbeke teils durch
Überarbeitung von älteren Übertragungen geliefert, teils an Hand

1 Vgl. E. Rolf es, Die Textauslegung des Aristoteles bei Thomas von
Aquin und bei den Neueren. Jahrbuch f. Philosophie und spekulative Theo-
logie IX (1895), S. 7f. — Ludw. Schütz, Der hl. Thomas und sein Ver-
ständnis des Griechischen. Philos. Jahrb. VIII (1895), S. 273—283. — E. Rol-
fes, Bemerkungen zu dem Aufsatz von Prof. Dr. L. Schütz . . . Jahrb. f.
Philos. u. spek. Theologie X (1896), S. 408—414.
1 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1937/38. 2. Abh.
 
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