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Honecker, Martin; Johannes; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 2. Abhandlung): Nikolaus von Cues und die griechische Sprache — Heidelberg, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.41994#0035
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Cusanus-Studien: II. Nikolaus von Gues und die griechische Sprache. 27
Daß er nun diesen griechischen Dionys-Text gelesen habe, sagt
er mit den oben angeführten Äußerungen zwar nicht direkt; doch
scheint er es indirekt zu behaupten, wenn er meint: Wer den griechi-
schen Text lese, werde seiner (d. h. des Cusanus) Dionys-Inter-
pretation beipflichten, und ferner: Der griechische Dionys-Text
bedürfe keiner erklärenden Bemerkungen, da Dionys sich immer
wieder selbst auslege.
Setzen wir nun aber nach dem oben Gesagten voraus, diese
Dionys-Lektüre könne nur in der Zeit zwischen Ende November
1437 und Anfang Februar 1438 auf jener Überfahrt stattgefunden
haben, so sind wir nicht mehr genötigt, anzunehmen, der Cusaner
habe dieses Quellstudium nur auf Grund eigener Fertigkeit im
Griechischen betrieben. Denn an jener Überfahrt nahmen grie-
chische Gelehrte teil, die des Lateinischen nicht unkundig waren96,
und ebenso mehrere Lateiner, die gut Griechisch verstanden97. Wir
können uns überhaupt recht wohl vorstellen, daß während der
langen Dauer jener Überfahrt die Gelehrten von beiden Seiten sich
zu wissenschaftlichen Gesprächen zusammengefunden haben wer-
den. Dann ist es aber leicht möglich, daß Nicolaus Cusanus mit
Unterstützung anderer den Dionys-Text im Griechischen stu-
diert hat98.

96 Man denke etwa an Bessarion.
97 So außer Cristoforo Garatoni vor allem noch der schon genannte
Tortelli.
98Darf man vielleicht sogar vermuten, daß gerade an dieser Dionys-
Lektüre sich jener berühmte Einfall entzündet habe, von dem Nicolaus Cusa-
nus am Schluß der Docta ignorantia (a 206v, p I 34r, b 62, hl 163) spricht?
Daß er mit seiner Interpretation der theologia mystica Grundgedanken seiner
docta ignorantia und vor allem das fundamentale Koinzidenzprinzip im Auge
hatte, ergibt sich aus einer anderen Stelle des oben angeführten Briefes an
die Tegernseer: . . . mihi visum fuit, quod tota ista mystica theologia sit intrare
ipsam infinitatem absolutam; dicit enim infinitas contradictoriorum coinciden-
tiam, scilicet finem sine fine-, et nemo potest Deum mystice videre nisi in caligine
coincidenliae, quae est infinitas (Vansteenberghe 56 115f.). Man wird auch
nicht übersehen dürfen, daß jene Stelle am Schluß der Docta ignorantia mit
den Worten . . . superno dono a patre, a quo omne datum Optimum ...(hl 163,
8f.) nicht nur an Jac. 1, 17 ankniipft, sondern zugleich auch an den mit dieser
Stelle aus dem Jacobus-Brief anhebenden Text der Hierarchia caelestis des
Pseudo-Dionys (PG 3, 119). —- Zur Genealogie des Koinzidenzprinzips vgl.
Ernst Hoff mann, Die Vorgeschichte der Gusanischen Goincidentia oppo-
sitorum. Einführung zu: Nikolaus von Cues, Über den Beryll, übersetzt
von K. Fleisch mann (Schriften des Nikolaus von Cues in deutscher
Übersetzung, hrsg. von E. Hoff mann, Heft 2; Philos. Bibliothek Nr. 127,
 
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