Cusanus-Studien: II. Nikolaus von Cues und die griechische Sprache. 49
institutiones des Firmianus Lactantius139. Wir stellen wieder
den Laktanz-Text und den Passus aus der cusanischen Predigt
einander gegenüber:
48. Firm. Lactantius,
Divinae institutiones, Buch IV,
c. 6, § 4 — Ausgabe Brandt,
CSEL XIX, 286, 14 — 287, 3:
Hermes in eo libro qui λόγος τέ-
λειος inscribitur, his usus est ver-
bis: ό κύριος καί των πάντων ποιη-
τής, όν -9-εόν καλεΐν νενομίκαμεν,
έπεί τον δεύτερον έποίησε θεόν . . .
Cusanus,
C 220 57Γ; Vt 37vb (vgl. Exc. I —
p II 13r; b 360):
Refert (seil. Lactantius) . . . Her-
metem Trismegistum in eo libro qui
logos telios (C: gelios), i. e. sermo per-
fectus dicitur, hiis usum esse verbis:
kyrios (C: kuros) ke ton panton po-
litis on theon kalei (F7 corr. ex: kralei)
etc., i. e. dominus et omnium factor,
quem deum nominare videmur, se-
cundum fecit deum etc.
Vergleichen wir bei Cusanus den in lateinischer Transskription
gebotenen griechischen Text mit der hinzugefügten lateinischen
Übersetzung, so gewahren wir zunächst, daß er mit seiner Über-
tragung über das Ziel hinausgeschossen hat, d. h. er übersetzt mehr,
als er im griechischen Text vorausschickt. Denn sein griechisches
Zitat bricht mit kalei (Laktanz: καλεΐν) ab, während seine Über-
setzung bis Τεόν weiterreicht140. Ferner entspricht die vom Cusaner
gelieferte lateinische Interpretation an zwei Stellen seinem griechi-
schen Texte nicht. So übersetzt er politis (= πολίτης), das in
seinem Texte statt ποιητής steht, mit factor, also so, als ob im grie-
chischen Zitat ποιητής stände. Weiterhin überträgt er kalei mit
nominare videmur, wozu das ihm vorliegende Griechisch keinen An-
laß geben konnte141. Allerdings erklären sich alle diese Abweichun-
gen der Übersetzung von dem vorausgeschickten griechischen Texte
daraus, daß der Cusaner die Übersetzung nicht selbst geleistet, son-
dern seinem Laktanzexemplar einfach entnommen hat142. Daß er
139 Nikolaus von Cues zitiert: de falsa religione. Das ist die Überschrift
des III. Buches der Divinae institutiones. In Wirklichkeit steht die Stelle im
IV. Buche, das den Titel De vera sapientia et religione trägt.
140 Die Pariser und die Basler Ausgabe haben diesen Fehler aasgleichen
wollen, indem sie den griechischen Text bis θεόν weiterführten.
141 Auch hier halfen die Drucke von Paris und Basel dadurch nach, daß
sie καλεΐ durch καλοΰμεν ersetzten.
142 Da der Brüsseler Laktanz-Text uns unzugänglich geblieben ist, wollen
wir versuchen, auf einem Umwege, nämlich über die Angaben in Brandts Aus-
gabe, dem Wortlaut der fraglichen Stelle etwas näherzukommen. Leider hat
Brandt den Brüsseler Codex in seinem kritischen Apparat für unseren Passus
4 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad. phil.-hist. Kl. 1937/38. 2. Abh.
institutiones des Firmianus Lactantius139. Wir stellen wieder
den Laktanz-Text und den Passus aus der cusanischen Predigt
einander gegenüber:
48. Firm. Lactantius,
Divinae institutiones, Buch IV,
c. 6, § 4 — Ausgabe Brandt,
CSEL XIX, 286, 14 — 287, 3:
Hermes in eo libro qui λόγος τέ-
λειος inscribitur, his usus est ver-
bis: ό κύριος καί των πάντων ποιη-
τής, όν -9-εόν καλεΐν νενομίκαμεν,
έπεί τον δεύτερον έποίησε θεόν . . .
Cusanus,
C 220 57Γ; Vt 37vb (vgl. Exc. I —
p II 13r; b 360):
Refert (seil. Lactantius) . . . Her-
metem Trismegistum in eo libro qui
logos telios (C: gelios), i. e. sermo per-
fectus dicitur, hiis usum esse verbis:
kyrios (C: kuros) ke ton panton po-
litis on theon kalei (F7 corr. ex: kralei)
etc., i. e. dominus et omnium factor,
quem deum nominare videmur, se-
cundum fecit deum etc.
Vergleichen wir bei Cusanus den in lateinischer Transskription
gebotenen griechischen Text mit der hinzugefügten lateinischen
Übersetzung, so gewahren wir zunächst, daß er mit seiner Über-
tragung über das Ziel hinausgeschossen hat, d. h. er übersetzt mehr,
als er im griechischen Text vorausschickt. Denn sein griechisches
Zitat bricht mit kalei (Laktanz: καλεΐν) ab, während seine Über-
setzung bis Τεόν weiterreicht140. Ferner entspricht die vom Cusaner
gelieferte lateinische Interpretation an zwei Stellen seinem griechi-
schen Texte nicht. So übersetzt er politis (= πολίτης), das in
seinem Texte statt ποιητής steht, mit factor, also so, als ob im grie-
chischen Zitat ποιητής stände. Weiterhin überträgt er kalei mit
nominare videmur, wozu das ihm vorliegende Griechisch keinen An-
laß geben konnte141. Allerdings erklären sich alle diese Abweichun-
gen der Übersetzung von dem vorausgeschickten griechischen Texte
daraus, daß der Cusaner die Übersetzung nicht selbst geleistet, son-
dern seinem Laktanzexemplar einfach entnommen hat142. Daß er
139 Nikolaus von Cues zitiert: de falsa religione. Das ist die Überschrift
des III. Buches der Divinae institutiones. In Wirklichkeit steht die Stelle im
IV. Buche, das den Titel De vera sapientia et religione trägt.
140 Die Pariser und die Basler Ausgabe haben diesen Fehler aasgleichen
wollen, indem sie den griechischen Text bis θεόν weiterführten.
141 Auch hier halfen die Drucke von Paris und Basel dadurch nach, daß
sie καλεΐ durch καλοΰμεν ersetzten.
142 Da der Brüsseler Laktanz-Text uns unzugänglich geblieben ist, wollen
wir versuchen, auf einem Umwege, nämlich über die Angaben in Brandts Aus-
gabe, dem Wortlaut der fraglichen Stelle etwas näherzukommen. Leider hat
Brandt den Brüsseler Codex in seinem kritischen Apparat für unseren Passus
4 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad. phil.-hist. Kl. 1937/38. 2. Abh.