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Martin Dibelius:
— das sieht man und das bestätigt die Fortsetzung — nicht im Ton
des Anklägers von der Schuld des Heidentums reden, sondern im
Ton des Aufklärers von seiner Unwissenheit.
Solcher Stellung zum Heidentum entsprach die Einleitung der
Rede; im selben Geist ist nun auch der Schluß gehalten. Dieser
Schluß spricht von der Vergangenheit als den Zeiten der Unwissen-
heit. Dieses Motiv, durch das den Heiden möglichst wenig Schuld
zugeschoben wird, ist bereits in der Einleitung 17, 23 verwendet. In
den Reden der Apostelgeschichte kommt es noch an drei Stellen
vor (3, 17; 13, 27; 14, 16; vgl. übrigens auch die Apologie des
Aristides 17, 4), und zwar gegenüber Juden wie Heiden. Man hat
also einen vom Autor besonders betonten Gedanken vor sich. Und
ebenso bezeichnend für den Autor ist der weitere Gedanke, daß
Gott jene Zeiten der Unwissenheit übersieht* 1 und jetzt die Büß-
predigt an alle und allerorten ergehen läßt. Denn das ist ja das
Missionsmotiv der Christen, von der Mission handelt das Buch der
Apostelgeschichte, und die Aktualität der Bußforderung kommt da-
bei von 2, 38 an oft zur Sprache. Und nun richtet sich wie in 10, 42
der Blick auf die Zukunft und auf das Gericht durch Jesus, so daß
in diesen zwei Versen 17, 30. 31 Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft zusammengedrängt erscheinen.
Dieses Schlußwort besteht aus einem Satz, dem einzigen
christlichen Satz der Areopagrede. Endlich wird Jesus einmal
erwähnt, wenngleich ohne daß sein Name genannt wird2; die Be-
schälter als die Areopagrede. Bezeichnend für diese ist auch das Fehlen des
polemischen Gedankens, daß der Bildner höher stehe als das Gebilde Sap.
15, 17; Philo De decal. 69. — Natürlich geht der Kampf gegen die Götter-
bilder bei den Apologeten weiter: Aristides 13, 1; Justin Ap. I 9, 1; Athena-
goras Suppl. 23, 1; Theophilus ad Autol. II 2. Aber die bei den Apologeten
wichtige Frage, ob die Bilder die Götter seien oder bloß abbilden, ist in den
Worten der Areopagrede τδ D-εΐον είναι, ομοιον eher umgangen als behandelt.
1 In ύπεριδών liegt mehr als in παριδών (so D): Gott will die vergan-
gene Periode ausstreichen (d und Irenaeus: despiciens). Es mag sein, daß die
Lesart παριδών auf ein bloßes Außerachtlassen zielt und somit näher an die
πάρεσις der Sünden aus der Vergangenheit Röm. 3, 25 herankommt. Aber
es wird sich zeigen, daß zwischen unserer Stelle und Röm. 3 in Wirklichkeit
keine Verwandtschaft besteht.
2 D liest άνδρί Ίησοΰ. Aber D hat die Erwähnung des Jesus-Namens
in 17, 18 überhaupt nicht. Und wiederum legte 17, 18 die Auffüllung in 17, 31
nahe. Es darf doch wohl als eine Feinheit des Textes gelten, daß in der Rede
selbst der Name Jesu in pädagogischer Absicht nicht genannt wird — es wird
ja auch vieles andere nicht genannt, was man von einer christlichen Predigt
Martin Dibelius:
— das sieht man und das bestätigt die Fortsetzung — nicht im Ton
des Anklägers von der Schuld des Heidentums reden, sondern im
Ton des Aufklärers von seiner Unwissenheit.
Solcher Stellung zum Heidentum entsprach die Einleitung der
Rede; im selben Geist ist nun auch der Schluß gehalten. Dieser
Schluß spricht von der Vergangenheit als den Zeiten der Unwissen-
heit. Dieses Motiv, durch das den Heiden möglichst wenig Schuld
zugeschoben wird, ist bereits in der Einleitung 17, 23 verwendet. In
den Reden der Apostelgeschichte kommt es noch an drei Stellen
vor (3, 17; 13, 27; 14, 16; vgl. übrigens auch die Apologie des
Aristides 17, 4), und zwar gegenüber Juden wie Heiden. Man hat
also einen vom Autor besonders betonten Gedanken vor sich. Und
ebenso bezeichnend für den Autor ist der weitere Gedanke, daß
Gott jene Zeiten der Unwissenheit übersieht* 1 und jetzt die Büß-
predigt an alle und allerorten ergehen läßt. Denn das ist ja das
Missionsmotiv der Christen, von der Mission handelt das Buch der
Apostelgeschichte, und die Aktualität der Bußforderung kommt da-
bei von 2, 38 an oft zur Sprache. Und nun richtet sich wie in 10, 42
der Blick auf die Zukunft und auf das Gericht durch Jesus, so daß
in diesen zwei Versen 17, 30. 31 Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft zusammengedrängt erscheinen.
Dieses Schlußwort besteht aus einem Satz, dem einzigen
christlichen Satz der Areopagrede. Endlich wird Jesus einmal
erwähnt, wenngleich ohne daß sein Name genannt wird2; die Be-
schälter als die Areopagrede. Bezeichnend für diese ist auch das Fehlen des
polemischen Gedankens, daß der Bildner höher stehe als das Gebilde Sap.
15, 17; Philo De decal. 69. — Natürlich geht der Kampf gegen die Götter-
bilder bei den Apologeten weiter: Aristides 13, 1; Justin Ap. I 9, 1; Athena-
goras Suppl. 23, 1; Theophilus ad Autol. II 2. Aber die bei den Apologeten
wichtige Frage, ob die Bilder die Götter seien oder bloß abbilden, ist in den
Worten der Areopagrede τδ D-εΐον είναι, ομοιον eher umgangen als behandelt.
1 In ύπεριδών liegt mehr als in παριδών (so D): Gott will die vergan-
gene Periode ausstreichen (d und Irenaeus: despiciens). Es mag sein, daß die
Lesart παριδών auf ein bloßes Außerachtlassen zielt und somit näher an die
πάρεσις der Sünden aus der Vergangenheit Röm. 3, 25 herankommt. Aber
es wird sich zeigen, daß zwischen unserer Stelle und Röm. 3 in Wirklichkeit
keine Verwandtschaft besteht.
2 D liest άνδρί Ίησοΰ. Aber D hat die Erwähnung des Jesus-Namens
in 17, 18 überhaupt nicht. Und wiederum legte 17, 18 die Auffüllung in 17, 31
nahe. Es darf doch wohl als eine Feinheit des Textes gelten, daß in der Rede
selbst der Name Jesu in pädagogischer Absicht nicht genannt wird — es wird
ja auch vieles andere nicht genannt, was man von einer christlichen Predigt