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Nikolaus [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 1. Abhandlung): Untersuchungen über Datierung, Form, Sprache und Quellen: kritisches Verzeichnis sämtlicher Predigten — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42026#0025
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Erstes Hauptstück: Untersuchungen, II. Die Formen der Predigten. 17
Rhythmus der Satzschlüsse zu achten. Die Theoretiker verlangen die Befol-
gung dieser rhetorischen Kunstformen nicht für die Volkspredigt. Bei jedem
Glied soll der Prediger auf die Worte des Themas hinweisen, die ihm ent-
sprechen. Für die Predigt vor Klerikern (man denke an die Universitäts-
predigten) gilt dabei die besondere Forderung, die Einteilung aus dem Thema
selbst abzuleiten, während sie in der Volkspredigt von außen her genommen
sein kann.
5. Alles Bisherige diente nur der Vorbereitung; die eigentliche Predigt
besteht in der Entwicklung des Themas in seinen einzelnen Teilen (dilatatio).
Die Hauptmittel zur Entfaltung.der Grundgedanken sind die auctoritates,
d. h. beweiskräftige Texte aus der Hl. Schrift, den kirchlichen Schriftstellern
und auch den heidnischen Philosophen (Cicero und Seneca bevorzugt); die
argumenta, d. h. die Entwicklung verstandesmäßiger Überlegungen auf
Grund solcher Texte; endlich die exempla, d. h. Beispiele aus der Geschichte,
den Legenden oder dem täglichen Leben.
6. Den Schluß der Predigt bildet ein kurzes Gebet, auf das die Zuhörer
mit Amen antworten.
Vergleicht man nun die thematischen Predigten des Cu sanus
mit dieser Theorie, so sieht man sehr bald, daß er sie kennt und
benutzt. Nehmen wir als Beispiel Pr. 16 ,,Dies sanctificatus“ vom
25. Dezember 14391. Nachdem das Thema genannt und dessen
Quelle angegeben ist, folgt das aus dem Thema abgeleitete Pro-
thema (Is. 52, 2 und Ps. 106, 10 läßt er nur anklingen), welches
mit der Bitte um den Beistand der Gottesgebärerin abschließt
(S. 8, 3 — 10, 7). Dann wird das Thema wiederholt, und es folgt
sofort die Einteilung, und zwar in doppelter Form: 1. rein sach-
lich (10, 9-—17), 2. im Hinblick auf die Verschiedenheit der Zu-
hörer (10, 18—23). Bei der ersten Einteilung beobachtet Cu sanus
die üblichen Regeln genau:
Tres sunt nativitates Filii Dei . . .
Est nativitas eterna . . . quam missa medie noctis significat; que tangitur
ibi: „dies sanctificatus“.
Est nativitas . . . quam missa in aurora figurat; que ibi tangitur: „il-
. luxit nobis“.
Est tercia ... uti missa solempnis istam nativitatem pro nostra salute
ostendit; que in themate ibi tangitur: „venite adoremus“.
In der zweiten Einteilung sagt er, der erste Teil solle für die
Gebildeten (peritiores), der zweite für die einfachen Leute (com-
munes2), der dritte für die beschaulichen Seelen (contemplativi)
1 Vgl. Pred. 1, S. 8ff.
2 In Pred. 1, S. 11 falsch übersetzt: „die ganze Gemeinde“. Statt com-
munes sagt Gusanus auch populares (Pr. 7) oder simplices (Pr. 69), wie er
statt peritiores auch intelligentes (Pr. 6), sapientes (Pr. 7), docti (Pr. 69),
und statt contemplativi auch devoti (Pr. 31 und 69) gebraucht.

Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1941/42. 1. Abh.
 
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