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Josef Koch, Cusanus-Texte: I. Predigten, 7.
mals der Schluß, daß er deutsch gepredigt hat. Was aber für die
Legationsreise und die frühere Zeit gilt, das gilt sicher für die
Brixener Zeit. Sie stand ganz im Zeichen der Reform. Wir sehen
aus manch einer Predigt, wie schwer die Verantwortung für seine
Diözese auf ihm lastet und mit welcher Hingabe er seinen Auftrag
erfüllt. Was hätte ihm aber aller Eifer genutzt, wenn er zu dem
ihm anvertrauten Volk nicht in seiner Muttersprache geredet hätte ?
Gar nichts! Bezeichnenderweise ist in den von ihm erlassenen
Synodalstatuten, welche dem Klerus — natürlich in lateinischer
Sprache —- sehr genaue Anweisungen geben, was er dem Volk an
Belehrung und Unterweisung verkündigen muß, angefangen vom
Glauben und den Geboten bis zum Fasten, dem Besuch der Sonn-
tagsmesse, der Form der Eheschließung usw., kein Wort zu finden,
daß diese Unterweisungen in deutscher Sprache zu erfolgen haben.
Das war eben selbstverständlich. Und darum war es für den
Bischof ebenso selbstverständlich, dem Volk Gottes Wort in seiner
Muttersprache zu verkündigen.
Abgesehen von diesen allgemeinen Überlegungen beweist auch
eine gelegentliche Bemerkung in Pr. 184 (Stegen b. Bruneck, 8. Juni
1455) unsere Behauptung. Dort erklärt er das Evangelium Luc. 14,
16—24 (vom großen Abendmahl) und sagt (V2 99va; p -—):
Dicit ewangelium omnes se excusasse per negociacionem. Nam unus
emit villam, alius quinque iuga boum, tercius duxit uxorem sive iuxta vul-
gare emit uxorem. Nam in illo contractu, in quo vir se dat uxori et uxor
viro, emit vir corpore suo uxorem, quia se dat pro ea et econverso uxor emere
dicitur virum, quia se dat pro viro, et ideo neuter retinet proprietatem cor-
poris sui, sed transfert in alium, uti in empcione transfertur proprietas seu
dominium.
Man sieht sehr deutlich, daß Cusanus den Ausdruck ein wip
bzw. einen man koufen (= heiraten) vor Augen hat und demgemäß
den Text erklärt. Das setzt doch voraus, daß er diesen Ausdruck
auch in der Predigt selbst gebrauchen wollte. Zu welch merk-
würdigen Vorstellungen kämen wir nun, wenn wir annehmen woll-
ten, er habe zwar im allgemeinen in einer dem Volk fremden Sprache
gepredigt und dann gelegentlich in einer Nebensache — denn um
hrsg. von R. Wolkan, III. Abt. 1. Bd., 1918, n. 112, S. 214f.): ,,fiet, michi
credite, fiet communi omnium Christianorum consensu passagium, si Romani
pontificis hoc tempore surrexerit auctoritas ac bonorum predicatorum, inter
quos esse vestram pietatem commune iudicium habet, fideles ac diserte voces
in fines orbis terre sonuerint.“ Cusanus war übrigens damals nicht in Rom,
wie Wolkan S. 204 meint, sondern in Brixen.
Josef Koch, Cusanus-Texte: I. Predigten, 7.
mals der Schluß, daß er deutsch gepredigt hat. Was aber für die
Legationsreise und die frühere Zeit gilt, das gilt sicher für die
Brixener Zeit. Sie stand ganz im Zeichen der Reform. Wir sehen
aus manch einer Predigt, wie schwer die Verantwortung für seine
Diözese auf ihm lastet und mit welcher Hingabe er seinen Auftrag
erfüllt. Was hätte ihm aber aller Eifer genutzt, wenn er zu dem
ihm anvertrauten Volk nicht in seiner Muttersprache geredet hätte ?
Gar nichts! Bezeichnenderweise ist in den von ihm erlassenen
Synodalstatuten, welche dem Klerus — natürlich in lateinischer
Sprache —- sehr genaue Anweisungen geben, was er dem Volk an
Belehrung und Unterweisung verkündigen muß, angefangen vom
Glauben und den Geboten bis zum Fasten, dem Besuch der Sonn-
tagsmesse, der Form der Eheschließung usw., kein Wort zu finden,
daß diese Unterweisungen in deutscher Sprache zu erfolgen haben.
Das war eben selbstverständlich. Und darum war es für den
Bischof ebenso selbstverständlich, dem Volk Gottes Wort in seiner
Muttersprache zu verkündigen.
Abgesehen von diesen allgemeinen Überlegungen beweist auch
eine gelegentliche Bemerkung in Pr. 184 (Stegen b. Bruneck, 8. Juni
1455) unsere Behauptung. Dort erklärt er das Evangelium Luc. 14,
16—24 (vom großen Abendmahl) und sagt (V2 99va; p -—):
Dicit ewangelium omnes se excusasse per negociacionem. Nam unus
emit villam, alius quinque iuga boum, tercius duxit uxorem sive iuxta vul-
gare emit uxorem. Nam in illo contractu, in quo vir se dat uxori et uxor
viro, emit vir corpore suo uxorem, quia se dat pro ea et econverso uxor emere
dicitur virum, quia se dat pro viro, et ideo neuter retinet proprietatem cor-
poris sui, sed transfert in alium, uti in empcione transfertur proprietas seu
dominium.
Man sieht sehr deutlich, daß Cusanus den Ausdruck ein wip
bzw. einen man koufen (= heiraten) vor Augen hat und demgemäß
den Text erklärt. Das setzt doch voraus, daß er diesen Ausdruck
auch in der Predigt selbst gebrauchen wollte. Zu welch merk-
würdigen Vorstellungen kämen wir nun, wenn wir annehmen woll-
ten, er habe zwar im allgemeinen in einer dem Volk fremden Sprache
gepredigt und dann gelegentlich in einer Nebensache — denn um
hrsg. von R. Wolkan, III. Abt. 1. Bd., 1918, n. 112, S. 214f.): ,,fiet, michi
credite, fiet communi omnium Christianorum consensu passagium, si Romani
pontificis hoc tempore surrexerit auctoritas ac bonorum predicatorum, inter
quos esse vestram pietatem commune iudicium habet, fideles ac diserte voces
in fines orbis terre sonuerint.“ Cusanus war übrigens damals nicht in Rom,
wie Wolkan S. 204 meint, sondern in Brixen.