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Hoops, Johannes; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1942/43, 3. Abhandlung): Geschichte des Ölbaums: vorgelegt am 20. Juni 1943 — Heidelberg, 1944

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https://doi.org/10.11588/diglit.42033#0089
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VIII. Das Öl im bürgerlichen Leben Nordeuropas im Mittelalter 89

bauern der Schweiz in der Steinzeit verwertet worden; in zahl-
reichen neolithischen Niederlassungen wurden Mohnsamen gefunden,
zum Teil in großen Mengen1. Aus Robenhausen liegt ein Kuchen von
verkohlten Mohnsamen vor, der aus Tausenden kleiner, zu einer
Masse zusammengebackener Sämchen besteht. Daß die Mohnsamen
in den stein- und bronzezeitlichen Pfahlbauten der Schweiz außer
als Brotwürze auch schon zur Ölgewinnung benutzt wurden, ist
unwahrscheinlich: die Bereitung von Mohnöl würde sich sonst aus
den frühen vorgeschichtlichen Perioden sicher bis in die geschicht-
lichen Zeiten erhalten und für den mittelalterlichen Haushalt der
nordeuropäischen Völker eine wichtige Rolle gespielt haben, wofür
wir aber aus dem früheren Mittelalter keinerlei Zeugnisse haben.
Der Anbau des Mohns (ahd. mägo, mhd. mäge, mäg) als Garten-
pflanze wird allerdings schon von Karl dem Großen im Capitulare
de Villis (Kap. 70) angeordnet und von Walahfrid Strabo emp-
fohlen ; der Mohn ist auch im Gemüsegarten des St. Galler Kloster-
plans von 820 eingezeichnet; aber seine Anpflanzung geschah wohl
wegen seiner Verwendung in der Medizin: man schrieb seinen Samen
schlafbringende, beruhigende Kraft zu. ,,Papaver haizt mägenkraut
. . . sein säm ist guot zuo erznei und pringt släf und sänftigt in vil
dingen“, sagt Konrad von Megenberg (1350)2. Wann man aus dem
Mohnsamen zuerst Öl preßte, wissen wir nicht. Konrad von
Megenberg, der in seinem Artikel über den Mohn (mägen-kraut)
von der medizinischen Verwendung des Mohnsamens (mägensäm)
ausführlicher handelt, sagt nichts davon, daß aus dem Samen auch
Öl gewonnen werde. Umso auffallender ist es, daß er die Pflanze
selbst einmal mägenöl 'Mohnöl’ nennt3. Daraus geht doch deutlich
hervor, daß er Mohnöl kannte, und daß das Mohnöl im 14. Jahr-
hundert überhaupt schon allgemein bekannt war.
Noch später als Leinöl und Mohnöl tritt das aus Rübsamen
bereitete Rüböl (mhd. ruobsät-öl) auf, das sich vorzüglich als
Brennöl eignet, und das später von großer Bedeutung wurde. Der
älteste Sitz der Rübsenkultur in Deutschland ist Erfurt4.

1 J. Hoops, Reallex. III 366.
2 Buch der Natur 414, 3—-8.
3 a. a.O. S. 354, 6 sam daz mägenöl den habern verderbt 'wie der Mohn
den Hafer verdirbt’. An einer andern Stelle (S. 426, 28), wo derselbe Vergleich
wiederkehrt, gebraucht er den richtigen Namen des Mohns: sam der mäg den
habern derret.
4 M. HeyNe, Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer I 281, A. 215; II 72_
 
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