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Uvo Hölscher
δντος λογικως φασι τινες είναι το μη δν, ούχ άπλως άλλα μη όν, ούτίο και
το ποιον. (Siehe oben Seite 18.)
Was bedeutet hier άπλως? — Aristoteles bezieht sich offenbar auf Platons
Argument über das Nicht-seiende im Sophistes 258bc: daß es in nichts den
anderen Seienden an Sein nachstehe und man getrost sagen dürfe, das Nicht-
seiende ist, als eines das sein eigenes Wesen (φυσις) hat: «wie das Große groß
ist, das Schöne schön ist... so ist und war das Nicht-seiende nicht-seiend,
eines in der Zahl der vielen Seienden». (Man beachte wieder, wie der schein-
bare Existenzbegriff als Wesensbegriff, Physis, verstanden wird.) Aber so
unbeschwert, wie hier Platon das prädikative ist als ein absolutes nimmt
(mit der Ewigkeitsformel «war und ist ...» — merkt er denn gar nicht, daß
er es im selben Atemzug als «Existenz» und als «Kopula» gebraucht?!) —
so einfach kann Aristoteles nicht mehr damit umgehn. Er muß dem Nicht-
seienden das «einfache Sein» ausdrücklich absprechen und sein sein als ein
kategoriales erklären.
Dies geschieht aber nicht, wie es scheinen könnte und gemeinhin ver-
standen wird — und wie es auch Platon an der zitierten Stelle tut — durch
die Berufung auf ein identisches Urteil (über die Nichtigkeit der «Antistheni-
schen Urteile» vgl. 1024 b 32). Damit für das besondere Was-sein der Qualität
das Nicht-seiende erläuternd sein kann, muß vom Nicht-seienden erklärt
werden, in welchem Sinne es ist. Das leistet nicht der Satz «Das Nicht-seiende
ist nicht-seiend», denn auf die Qualität angewandt ergäbe das nur: Qualität
ist Qualität. Die besondere Qualität des Nicht-seienden ist vielmehr, daß
es ein bestimmtes Nichtsein ausspricht: in demselben Sinne, wie die Qualität
ein bestimmtes Wie-sein ausspricht. Er erklärt also das Sagen des Nicht-
seienden selber als ein kategoriales Sagen. Nicht anders werden in Γ 1
(1003 b 10), unter den Kategorien als dem Sagen eines Seienden (όντα
λεγεται), auch die Negationen mitaufgeführt: «Darum sagen wir auch,
daß ein Nichtseiendes nicht-seiend ist». Das Nicht-seiende, das hier gemeint
ist, ist keineswegs das Nichts, oder das Nicht-existente (so Ross II 171 ad 25),
sondern, z. B., das Nicht-weiße: von ihm sagen wir «... ist nicht-weiß». So auch
in Z 4: DasNicht-seiende ist, heißt: es ist Nicht-sein im Sinne der Kategorien.
Man muß sich hüten, den Ausdruck άπλως είναι, άπλως είπειν als Bezeich-
nung des «absoluten» Gebrauchs in der Bedeutung «existieren» zu nehmen.
'Απλως wird von Aristoteles nicht terminologisch verwendet, sondern be-
stimmt sich je aus dem Zusammenhang und dem Gegensatz. In E 2 (1026 a
33) steht es generell für die verschiedenen Bedeutungen von sein, ist also
weder dem prädikativen noch überhaupt dem πολλαχως λεγόμενόν ent-
gegengesetzt; es hebt den Begriff des Seienden als solchen und als Problem
der ersten Philosophie gegen das diverse bestimmte Seiende als Gegenstand
der Einzelwissenschaften ab. In Z 4 bezeichnet es das «eigentliche» und
«ursprüngliche» Sein der ουσία gegenüber dem «abgeleiteten» der Kate-
gorien. Die Seiendheit der ουσία aber gründet nicht in ihrer Existenz, sondern
in ihrer Wesenheit.
Uvo Hölscher
δντος λογικως φασι τινες είναι το μη δν, ούχ άπλως άλλα μη όν, ούτίο και
το ποιον. (Siehe oben Seite 18.)
Was bedeutet hier άπλως? — Aristoteles bezieht sich offenbar auf Platons
Argument über das Nicht-seiende im Sophistes 258bc: daß es in nichts den
anderen Seienden an Sein nachstehe und man getrost sagen dürfe, das Nicht-
seiende ist, als eines das sein eigenes Wesen (φυσις) hat: «wie das Große groß
ist, das Schöne schön ist... so ist und war das Nicht-seiende nicht-seiend,
eines in der Zahl der vielen Seienden». (Man beachte wieder, wie der schein-
bare Existenzbegriff als Wesensbegriff, Physis, verstanden wird.) Aber so
unbeschwert, wie hier Platon das prädikative ist als ein absolutes nimmt
(mit der Ewigkeitsformel «war und ist ...» — merkt er denn gar nicht, daß
er es im selben Atemzug als «Existenz» und als «Kopula» gebraucht?!) —
so einfach kann Aristoteles nicht mehr damit umgehn. Er muß dem Nicht-
seienden das «einfache Sein» ausdrücklich absprechen und sein sein als ein
kategoriales erklären.
Dies geschieht aber nicht, wie es scheinen könnte und gemeinhin ver-
standen wird — und wie es auch Platon an der zitierten Stelle tut — durch
die Berufung auf ein identisches Urteil (über die Nichtigkeit der «Antistheni-
schen Urteile» vgl. 1024 b 32). Damit für das besondere Was-sein der Qualität
das Nicht-seiende erläuternd sein kann, muß vom Nicht-seienden erklärt
werden, in welchem Sinne es ist. Das leistet nicht der Satz «Das Nicht-seiende
ist nicht-seiend», denn auf die Qualität angewandt ergäbe das nur: Qualität
ist Qualität. Die besondere Qualität des Nicht-seienden ist vielmehr, daß
es ein bestimmtes Nichtsein ausspricht: in demselben Sinne, wie die Qualität
ein bestimmtes Wie-sein ausspricht. Er erklärt also das Sagen des Nicht-
seienden selber als ein kategoriales Sagen. Nicht anders werden in Γ 1
(1003 b 10), unter den Kategorien als dem Sagen eines Seienden (όντα
λεγεται), auch die Negationen mitaufgeführt: «Darum sagen wir auch,
daß ein Nichtseiendes nicht-seiend ist». Das Nicht-seiende, das hier gemeint
ist, ist keineswegs das Nichts, oder das Nicht-existente (so Ross II 171 ad 25),
sondern, z. B., das Nicht-weiße: von ihm sagen wir «... ist nicht-weiß». So auch
in Z 4: DasNicht-seiende ist, heißt: es ist Nicht-sein im Sinne der Kategorien.
Man muß sich hüten, den Ausdruck άπλως είναι, άπλως είπειν als Bezeich-
nung des «absoluten» Gebrauchs in der Bedeutung «existieren» zu nehmen.
'Απλως wird von Aristoteles nicht terminologisch verwendet, sondern be-
stimmt sich je aus dem Zusammenhang und dem Gegensatz. In E 2 (1026 a
33) steht es generell für die verschiedenen Bedeutungen von sein, ist also
weder dem prädikativen noch überhaupt dem πολλαχως λεγόμενόν ent-
gegengesetzt; es hebt den Begriff des Seienden als solchen und als Problem
der ersten Philosophie gegen das diverse bestimmte Seiende als Gegenstand
der Einzelwissenschaften ab. In Z 4 bezeichnet es das «eigentliche» und
«ursprüngliche» Sein der ουσία gegenüber dem «abgeleiteten» der Kate-
gorien. Die Seiendheit der ουσία aber gründet nicht in ihrer Existenz, sondern
in ihrer Wesenheit.