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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1977, 5. Abhandlung): Euripides' Medea: vorgetragen am 20. November 1976 — Heidelberg: Winter, 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.45466#0051
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Euripides’ Medea ■ Anmerkungen

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Wirkung verweigern oder der Verstand Medea auf den rechten Weg zurückruft,
sondern ergibt sich aus den gegensätzlichen irrationalen Impulsen der Rachsucht
und der Mutterliebe, neben denen der Verstand keine eigene Intention geltend
macht. Er beschränkt sich auf das Raisonnement (z. B. 923ff. über Schuld und
Unschuld der Kinder) sowie auf das Bewußtmachen der Impulse (s. o. S. 9) und
folgt schließlich der einen Partei dieses Streites (954).
Nach dem Material, das wir betrachtet haben, spricht alle Wahrscheinlichkeit
dafür, daß die Konzentration auf den furor und den ferox animus der Medea,
den man bei Seneca beobachtet, in vielen dramatischen und nichtdramatischen
Bearbeitungen des Stoffes vorgebildet war.
44 Die Forderung der antiken Kunsttheorie, der Charakter einer dramatischen Per-
son müsse einheitlich sein (Aristot. Poet. 1454 a 26), hat die Dichter auf die ferox
invictaque Medea (Hör. ad Pis. 123; vgl. Quint, inst. 11,3,73) festgelegt. Damit
war aber auch für das Verständnis der 'Medea’ des Euripides die Auffassung von
den Emotionen der Heldin determiniert: θυμός, καρδία und andere Bezeichnun-
gen ihrer irrationalen Impulse oder ihrer Träger konnten sich nur auf Medeas
Rachsucht, Haß und Entschlossenheit beziehen und damit für den Mord an den
Kindern verantwortlich sein. Die erste der in einigen Euripides-Handschriften
erhaltenen Hypotheseis tadelt darum den Dichter ausdrücklich dafür, daß er Me-
dea auch weinen lasse und damit die Einheit ihres Charakters nicht gewahrt habe
(μή πεφυλαχέναι τήν ύπόκρισιν). Einmal mehr sieht man hier die Festlegung des
Verständnisses in nachklassischer Zeit. Ganz auf das undifferenzierte Bild der
leidenschaftlich-wilden Heroine festgelegt ist auch das Referat mehrerer Versio-
nen der Medea-Sage im Geschichtswerk Diodors (4,54-56; zu den Quellen vgl.
E. Schwartz, R. E. 5(1573 = Griech. Geschichtsschreiber, Leipzig 1957, 50ff.). Der
Text vermittelt einen Eindruck von der Vielzahl dramatischer Bearbeitungen des
Stoffes, auf die sich die Kunsttheorie beziehen konnte.
45 Vgl. Whitman, Euripides 116: But as the determination grows upon her to slay
the children, she herseif grows, ironically, more and more human; though the
tenderer affections are destined to be defeated, they are given full measure, and
we witness the ruination, not of a heroine, but of a woman.
 
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