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Wolgast, Eike; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 9. Abhandlung): Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts im 16. Jahrhundert — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45486#0011
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Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts

9

Konfessionsparteien ein Konsens über Recht und Unrecht oder ein
Kompromiß grundsätzlich unmöglich erschien.
Für die Lösung dieses Konflikts standen weder historische Erfahrun-
gen oder bewährte Regeln politischen Verhaltens zur Verfügung noch
gab es zureichende theoretische Konstruktionen für die Frage der legiti-
men Abwehr von Herrscherwillkür in der causa religionis. Um dennoch
aus der Sphäre der subjektiven Gewissensentscheidung als der entschei-
denden Basis politischen Handelns herauszukommen, sahen sich Theo-
logen und Politiker genötigt, die aus der causa religionis entstehenden
Konflikte in eine Rechtsbeziehung umzudeuten, zu deren Interpreta-
tion dann auf das positive Recht zurückgegriffen werden konnte. Die
subjektive causa religionis mußte in eine objektive causa iuris umge-
wandelt werden, damit eine Gehorsamsverweigerung aus religiösen
Gründen und die aktive Abwehr der Folgen dieser Gehorsamsverwei-
gerung rechtlich begründet und abgesichert werden konnten. Eine
rechtliche Lösung war dem Vorwurf oder Verdacht der Subjektivität
entzogen und konnte beanspruchen, von allen Parteien als verbindlich
angesehen zu werden. Mit den auf diesem Wege gewonnenen Theorien
über Gehorsam und Widerstand wurde ebenso eine Rechtsfrage theolo-
gisiert wie ein theologisches Problem in einen Rechtsfall umgedeutet.
Im allgemeinen gilt als Haupttriebfeder des Widerstandsrechts im 16.
Jahrhundert das Bemühen der ständischen Institutionen, sich gegen-
über dem sich ausbildenden absolutistischen Staat zu behaupten, d. h.
ein vor allem konservatives Interesse. Im Folgenden soll dagegen an
einigen wichtigen Theoretikern des Widerstandsrechts gezeigt werden,
welchen Beitrag die konfessionellen Auseinandersetzungen zur Ausbil-
dung der Lehre vom Widerstandsrecht im 16. Jahrhundert geleistet ha-
ben.
Das größte Hindernis, das der Bejahung eines Widerstandsrechts in
der causa religionis im Wege stand, war das Fehlen entsprechender Vor-
schriften und Normen in der Bibel. Nachdem die Reformation die un-
mittelbare Orientierung an der Heiligen Schrift ohne Berücksichtigung
menschlicher Traditionen zum fundamentalen Bestandteil des evangeli-
schen Bekenntnisses gemacht hatte, war es um so bedenklicher, daß das
Neue Testament lediglich drei zusammenhanglose Aussagen über
menschliche und göttliche Obrigkeit lieferte. Es galt das Gehorsamsge-
bot von Röm.13,1, aus dem sich ein Verbot jeder Auflehnung gegen die
weltliche Obrigkeit zu ergeben schien, mit der Konsequenz, daß der
Christ alle Anordnungen der Obrigkeit zu befolgen hatte, auch wenn
ihm dies Nachteile für seine irdisch-materielle Existenz eintrug. Das
 
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