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Wolgast, Eike; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 9. Abhandlung): Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts im 16. Jahrhundert — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45486#0028
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Eike Wolgast

wenn dabei nicht höhere Gesetze oder Gebote Gottes übertreten wer-
den.
4. „Wann die Tyrannen also toll und rasend werden, daß sie mit Waffen
und Krieg anheben zu verfolgen nicht allein die Personen der undern
Obrigkeit und der Unterthanen in einer rechten Sache, sondern auch in
den Personen das höchste und nötigeste Recht und gleich unsern Herrn
Gott selbst, der ein Stiffter ist desselbigen Rechten, und solches nicht et-
wa aus Gebrechlichkeit . . ., sondern mit wolbedachten Muht und Rath,
des Vorhabens, bey allen Nachkommen das Recht [bei Hortleder ver-
druckt: Reich] zu vertilgen“40. Hier handelt die Obrigkeit nicht nur ty-
rannisch, sondern versucht, Gottes Ordnung durch die des Teufels zu
ersetzen, so daß der magistratus inferior zu Widerstand verpflichtet ist,
um die Zerstörung der Kirche und das Verderben der geistlichen Exi-
stenz der Untertanen abzuwehren.
Drei religiös motivierte Einwände gegen ein Widerstandsrecht in der
causa religionis, die Luther früher selbst erhoben hatte, haben die Mag-
deburger Theologen aufgegriffen und entkräftet:
a) Die Strafe des Tyrannen hat Gott sich selbst vorbehalten - Gott be-
nutzt zur Vollziehung seiner Strafe Menschen, die seinen Befehl und
Willen vollziehen.
b) Das Reich Christi als geistliches Reich kann nicht mit weltlicher Ge-
walt geschützt werden - jede Obrigkeit ist dennoch verpflichtet, ihrer
göttlichen Einsetzung gemäß das Reich Christi zu fördern und das Pre-
digtamt auch mit Waffengewalt gegen Verfolgung zu schützen.
c) Der Christ ist zum Leiden verpflichtet - trotzdem ist es nicht verbo-
ten, die von Gott bereitgestellten Mittel zu benutzen; verwerflich ist
nur, sich ausschließlich auf sie zu verlassen41.
Anders als Luther begründeten die Magdeburger das Widerstands-
recht nicht mit dem positiven Recht, sondern leiteten es „aus klarem
Gottes-Wort und aus dem unwandelbaren Gesetz der Natur“42 her; auf
40 Bekenntnis, Unterricht und Vermahnung der Pfarrherren und Prediger der christli-
chen Kirchen zu Magdeburg (13. Apr. 1550); Hortleder, Rechtmäßigkeit IV cap. 7
(1075f.). — Während früher allgemein Amsdorf als Autor des „Bekenntnisses“ galt,
hat zuletzt Kolb (s. Anm. 39), 85f. und 115f. Anm. 17 Nikolaus Gallus als Verfasser
nachgewiesen. Der hohen Wertschätzung dieser Schrift in der Literatur über Wider-
standsrecht im 16. Jahrhundert hat ihre zeitgenössische Wirkung offenbar in keiner
Weise entsprochen; sie scheint wenig verbreitet gewesen zu sein. — Knox und Beza ha-
ben sie allerdings gekannt; vgl. unten S. 34 und S. 40.
41 Vgl. Hortleder, 1079f.
42 Ebd., 1077.
 
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