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Eike Wolgast
zwanzig Attentatspläne und -versuche auf Heinrich IV. bis zum Mord
von 1610; auch die Pulververschwörung von 1605 gehört in diesen Zu-
sammenhang.
3. Berechtigung der magistratus inferiores zur Ausübung von Wider-
stand: Die Amtsträger sind im Konfliktfall nicht dem König, sondern
dem Königreich verantwortlich49. In Frankreich wird die Vorstellung
Calvins, daß die magistratus inferiores nur als Generalstände auf ihrer
Tagung handlungsberechtigt seien, angesichts der Zerrissenheit der Na-
tion und damit auch der Stände aufgegeben. Die Legitimation zum Wi-
derstand beruht jetzt nicht mehr auf dem Generalkonsens der Stände,
sondern auf der Übereinstimmung der - natürlich im jeweiligen Partei-
verständnis - „Guten und Unterrichteten“, auch wenn diese die Min-
derheit ausmachen. Die eigene Meinung über die eigene Sache wird
zum ausschlaggebenden Rechtskriterium mit Absolutheitsanspruch.
5.
In England wurde die Frage nach der Ausdehnung der Herrschergewalt
und dem Verhalten der Untertanen bei Unrechtstaten des Fürsten
durch die katholische Reaktion unter der Regierung Maria Tudors aus-
gelöst. Für den Bischof von Rochester und Winchester John Ponet, der
im Straßburger Exil 1556 einen Traktat über den Umfang der königli-
chen Machtstellung und die Gehorsamspflichten der Untertanen veröf-
fentlichte50, waren die Loyalitätsbindungen in einer eindeutigen Abfol-
ge festgelegt: Gegenüber Gott, gegenüber dem Land, gegenüber dem
König. Der Gehorsam muß die Mitte halten und sich vor Extremen hü-
ten; zuviel Gehorsam „maketh the governours to forget their vocation
49 Die Unterscheidung zwischen res und persona, regnum und rex ist natürlich keine
Entdeckung des 16. Jahrhunderts. Im Zusammenhang mit dem ständischen Wider-
standsrecht begegnet sie z. B. schon in der Deklaration Eduards II. von England
1308: „Si rex aliquo casu erga statum coronae rationabiliter non se gerit, ligii sui per
sacramentum factum coronae regem reducere et coronae statum emendare iuste obli-
gantur“; S. B. Chrimes — A. L. Brown (Hg.), Select documents of English constitutio-
nal history 1307-1485 (London 1961), 5 (freundlicher Hinweis von P. Classen-Hei-
delberg).
50 A short treatise of politic power and of the true obedience which subjects owe to kings
and other civil governors, with an exhortation to all true natural Englishmen (1556).
Über Ponet vgl. W. S. Hudson, John Ponet (15167-1556) Advocate of Limited Mo-
narchy (Chicago 1942). Ponets Schrift wurde bezeichnenderweise 1639 und 1642 neu
aufgelegt.
Eike Wolgast
zwanzig Attentatspläne und -versuche auf Heinrich IV. bis zum Mord
von 1610; auch die Pulververschwörung von 1605 gehört in diesen Zu-
sammenhang.
3. Berechtigung der magistratus inferiores zur Ausübung von Wider-
stand: Die Amtsträger sind im Konfliktfall nicht dem König, sondern
dem Königreich verantwortlich49. In Frankreich wird die Vorstellung
Calvins, daß die magistratus inferiores nur als Generalstände auf ihrer
Tagung handlungsberechtigt seien, angesichts der Zerrissenheit der Na-
tion und damit auch der Stände aufgegeben. Die Legitimation zum Wi-
derstand beruht jetzt nicht mehr auf dem Generalkonsens der Stände,
sondern auf der Übereinstimmung der - natürlich im jeweiligen Partei-
verständnis - „Guten und Unterrichteten“, auch wenn diese die Min-
derheit ausmachen. Die eigene Meinung über die eigene Sache wird
zum ausschlaggebenden Rechtskriterium mit Absolutheitsanspruch.
5.
In England wurde die Frage nach der Ausdehnung der Herrschergewalt
und dem Verhalten der Untertanen bei Unrechtstaten des Fürsten
durch die katholische Reaktion unter der Regierung Maria Tudors aus-
gelöst. Für den Bischof von Rochester und Winchester John Ponet, der
im Straßburger Exil 1556 einen Traktat über den Umfang der königli-
chen Machtstellung und die Gehorsamspflichten der Untertanen veröf-
fentlichte50, waren die Loyalitätsbindungen in einer eindeutigen Abfol-
ge festgelegt: Gegenüber Gott, gegenüber dem Land, gegenüber dem
König. Der Gehorsam muß die Mitte halten und sich vor Extremen hü-
ten; zuviel Gehorsam „maketh the governours to forget their vocation
49 Die Unterscheidung zwischen res und persona, regnum und rex ist natürlich keine
Entdeckung des 16. Jahrhunderts. Im Zusammenhang mit dem ständischen Wider-
standsrecht begegnet sie z. B. schon in der Deklaration Eduards II. von England
1308: „Si rex aliquo casu erga statum coronae rationabiliter non se gerit, ligii sui per
sacramentum factum coronae regem reducere et coronae statum emendare iuste obli-
gantur“; S. B. Chrimes — A. L. Brown (Hg.), Select documents of English constitutio-
nal history 1307-1485 (London 1961), 5 (freundlicher Hinweis von P. Classen-Hei-
delberg).
50 A short treatise of politic power and of the true obedience which subjects owe to kings
and other civil governors, with an exhortation to all true natural Englishmen (1556).
Über Ponet vgl. W. S. Hudson, John Ponet (15167-1556) Advocate of Limited Mo-
narchy (Chicago 1942). Ponets Schrift wurde bezeichnenderweise 1639 und 1642 neu
aufgelegt.