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Wolgast, Eike; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 9. Abhandlung): Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts im 16. Jahrhundert — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45486#0033
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Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts

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and to usurpe upon their vocacion and to usurpe upon subiectes; to litel
breedeth a licencious libertie and maketh the people to forget their du-
tie“51. Ponet bejahte die Tötung des tyrannisch gewordenen Fürsten
ohne Vorbehalt; er räumte zwar ein, daß diese Ansicht keine Stütze im
positiven Recht fand52, berief sich aber auf das historische Recht und die
zahlreichen Beispiele für Tyrannenmord oder Absetzung von Fürsten in
der Geschichte, um zu dem Schluß zu kommen, Tyrannentötung sei
„most true, iust and consonaunt to Goddes iudgement. . . . England
lacketh [mit den Beispielen Eduards IE und Richards II.] not the prac-
tice and experience of the same“53. Da den Fürsten ihre Autorität vom
Volk verliehen wird, ist „the body of the hole congregation or common
wealthe“54 Urteilsinstanz und dann auch Träger des Widerstandsrechts
gegen den Tyrannen.
Ebenso entschieden, in der Frage der Trägerschaft für das Wider-
standsrecht sogar noch radikaler, argumentierte ein anderer englischer
Emigrant, der Calvinist Christopher Goodman, der in Frankfurt und
Genf Mitarbeiter John Knox’ war, in seiner Untersuchung über Gehor-
sam und Widerstand von 155855. Deutlicher als Ponet stellte er dabei
das Religionskriterium als den entscheidenden Anlaß für das Wider-
standsrecht heraus. Da die Fürsten ihr Amt als Stellvertreter Gottes
ausüben, ist für ihn ihre religiöse Dignität von besonderer Wichtigkeit.
Gottesfurcht und Kampf gegen den Katholizismus stellen dementspre-
chend die wichtigsten Voraussetzungen für ein legitimes englisches Kö-
nigtum dar; in Abwehr der Herrschaft Maria Tudors und Philipps II.
von Spanien ist zusätzlich als Kriterium genannt: kein Fremder und kei-
ne Frau. Die Pflicht zum Widerstand gegen ungläubige und abtrünnige
Könige haben nach Goodman zunächst die Zwischengewalten. Bei
Amtsversäumnis dieser magistratus inferiores gilt ein ausgedehnteres
Widerstandsrecht, indem das Volk zu einem kollektiven vir heroicus
51 Short treatise, C 8.
52 “No expresse positive lawe for punishment of a Tyranne among Christen men” (ebd.,
G 3).
53 Ebd., G 3; vgl. auch G 5: Die historischen Beispiele “will doo as muche for the proofe,
that it is lawful to kill a tiranne”.
54 Ebd., G 5; vgl. auch ebd.: “Emperours, kinges, princes and other governours abusing
their office (maie) be deposed and removed out of their places and Offices bi the body
or state of the Realme or common wealthe”.
55 How Superior Powers ought to be obeyed of their subjects and wherein they may law-
fully by God’s Word be disobeyed and resisted (Genf 1558); vgl. dazu C. Martin, Les
Protestants Anglais refugies ä Geneve au temps de Calvin 1550-1560 (Genf 1915),
177ff.
 
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