66
Albrecht Dihle
Kampfeslust auch ihr ungezügelter Lebensgenuß kopfschüttelnd regi-
striert (Agatharch. FgrH 86 F 1). Linguam tantum Graecorum habent,
sicut speciem hominum; moribus ritibusque efferatioribus quam ulli
barbari, immo quam immanes beluae vivunt, läßt Livius - wohl im An-
schluß an Polybios - einen Redner sprechen (34,24,If. vgl. H. A.
Schmitt, Wiss. Beilage z. Jahresber. d. Gymn. Aschaffenburg 1957/58,
38ff.). Die Akarnanen, langjährige Erbfeinde der Aitoler und dann
zwangsweise ihre Verbündeten (G. Klaffenbach, Historia 4, 1955,
46ff.), unterschieden sich in der Lebensweise wohl kaum von ihren
Nachbarn: Von Polybios erhalten sie, ganz im Gegensatz zu jenen, da-
für das Lob altväterischer Ehrbarkeit (4,30,3; 4,32,18f.; 15,31,7).
Die Bedeutung der Frage nach der hellenischen Abkunft der Aitoler
in der Kriegspropaganda des 3. Jh., vor allem in seinen letzten Jahr-
zehnten, spiegelt die Ehreninschrift einer aus Smyrna stammenden
Dichterin. Diese wurde im Jahr 218 v. C. von der thessalischen Stadt
Lamia, die damals zur aitolischen Liga gehörte, geehrt, weil sie ein Epos
über das Volk der Aitoler und seine Herkunft verfaßt hatte (IG IX
2,62). Für die ArraAiKd des Nikandros von Kolophon (FgrH 272 F
1-7), in denen u. a. die Beziehungen des Aitoler zu Delos und Elis be-
handelt wurden, wird man politische Tendenz nicht annehmen, denn sie
entstanden erst in der 2. Hälfte des 2. Jh. v. C. in einer langen Reihe
vergleichbarer antiquarischer Werke. Die Apostrophierung des Aito-
lers Tydeus als pei^oßapßciQog mußte in den Ohren eines Theaterpubli-
kums im griechischen Mutterland des 3. oder frühen 2. Jh.’s v. C. wie ei-
ne aktuelle Anspielung auf die vielerorts gefürchteten und gehaßten Ai-
toler klingen. Für ein Publikum im Athen des 5. Jh. hingegen war dieser
Ausdruck ohne besondere Pointe, denn niemand äußerte damals Zwei-
fel am Hellenentum der Aitoler.
In V. 145 steht die Frage rig . . . ccgicpi pvfjpa rö ZijOov jrepä. ’Apcpt
m. Acc. kann hier nur soviel wie „bei, in der Gegend von, an“ bedeuten.
Das Verb neodw steht also ohne eine adverbiale Bestimmung auf die
Frage Woher, Wohin oder Wo hindurch, ohne die es sonst niemals auf-
taucht. Man kann eine derartige Ortsangabe allenfalls aus der Analogie
zu V. 131 töv 6’ E^apeißovr’ oir/ öpäg AipKqg üöcoq erschließen. Doch
liegt diese Aussage recht weit zurück und ist durch die ausgiebige Be-
schreibung des Tydeus mit der Digression über die Aitoler von unserem
Vers getrennt. Näher liegt es, in ncpdco ein poetisches Wort für „vor-
rücken“ zu sehen, wozu es freilich in der klassischen Tragödie keine Pa-
rallele gibt.
Daß KaTaßdorpv/og als Beiwort des Parthenopaios (146) sonst erst
Albrecht Dihle
Kampfeslust auch ihr ungezügelter Lebensgenuß kopfschüttelnd regi-
striert (Agatharch. FgrH 86 F 1). Linguam tantum Graecorum habent,
sicut speciem hominum; moribus ritibusque efferatioribus quam ulli
barbari, immo quam immanes beluae vivunt, läßt Livius - wohl im An-
schluß an Polybios - einen Redner sprechen (34,24,If. vgl. H. A.
Schmitt, Wiss. Beilage z. Jahresber. d. Gymn. Aschaffenburg 1957/58,
38ff.). Die Akarnanen, langjährige Erbfeinde der Aitoler und dann
zwangsweise ihre Verbündeten (G. Klaffenbach, Historia 4, 1955,
46ff.), unterschieden sich in der Lebensweise wohl kaum von ihren
Nachbarn: Von Polybios erhalten sie, ganz im Gegensatz zu jenen, da-
für das Lob altväterischer Ehrbarkeit (4,30,3; 4,32,18f.; 15,31,7).
Die Bedeutung der Frage nach der hellenischen Abkunft der Aitoler
in der Kriegspropaganda des 3. Jh., vor allem in seinen letzten Jahr-
zehnten, spiegelt die Ehreninschrift einer aus Smyrna stammenden
Dichterin. Diese wurde im Jahr 218 v. C. von der thessalischen Stadt
Lamia, die damals zur aitolischen Liga gehörte, geehrt, weil sie ein Epos
über das Volk der Aitoler und seine Herkunft verfaßt hatte (IG IX
2,62). Für die ArraAiKd des Nikandros von Kolophon (FgrH 272 F
1-7), in denen u. a. die Beziehungen des Aitoler zu Delos und Elis be-
handelt wurden, wird man politische Tendenz nicht annehmen, denn sie
entstanden erst in der 2. Hälfte des 2. Jh. v. C. in einer langen Reihe
vergleichbarer antiquarischer Werke. Die Apostrophierung des Aito-
lers Tydeus als pei^oßapßciQog mußte in den Ohren eines Theaterpubli-
kums im griechischen Mutterland des 3. oder frühen 2. Jh.’s v. C. wie ei-
ne aktuelle Anspielung auf die vielerorts gefürchteten und gehaßten Ai-
toler klingen. Für ein Publikum im Athen des 5. Jh. hingegen war dieser
Ausdruck ohne besondere Pointe, denn niemand äußerte damals Zwei-
fel am Hellenentum der Aitoler.
In V. 145 steht die Frage rig . . . ccgicpi pvfjpa rö ZijOov jrepä. ’Apcpt
m. Acc. kann hier nur soviel wie „bei, in der Gegend von, an“ bedeuten.
Das Verb neodw steht also ohne eine adverbiale Bestimmung auf die
Frage Woher, Wohin oder Wo hindurch, ohne die es sonst niemals auf-
taucht. Man kann eine derartige Ortsangabe allenfalls aus der Analogie
zu V. 131 töv 6’ E^apeißovr’ oir/ öpäg AipKqg üöcoq erschließen. Doch
liegt diese Aussage recht weit zurück und ist durch die ausgiebige Be-
schreibung des Tydeus mit der Digression über die Aitoler von unserem
Vers getrennt. Näher liegt es, in ncpdco ein poetisches Wort für „vor-
rücken“ zu sehen, wozu es freilich in der klassischen Tragödie keine Pa-
rallele gibt.
Daß KaTaßdorpv/og als Beiwort des Parthenopaios (146) sonst erst