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Simon, Erika; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 5. Abhandlung): Das Satyrspiel Sphinx des Aischylos: vorgelegt am 11. Juli 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47798#0013
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Das Satyrspiel Sphinx des Aischylos

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peltes Übel“ (öiöv|ia xaxa) in einem Atem (778ff.)- Aischylos dürfte
diese beiden Handlungen in seinem Ödipus auf die Bühne gebracht
haben, ja sie dürften der hauptsächliche Inhalt jener Tragödie gewesen
sein. Wie sie verknüpft waren, entzieht sich unserer Kenntnis. Da die
Mutter in dem genannten Chorlied nicht unmittelbar erwähnt ist, und
da es Aischylos primär um die männlichen Mitglieder des Hauses ging,
folgte er wohl der altepischen Tradition: In der Nekyia der Odyssee
(11,271 ff.) war die Mutter und Gemahlin des Ödipus durch Selbstmord
in den Hades gekommen, während jener weiter in Theben regierte14.
Jokaste, so mag Aischylos es gestaltet haben, erkannte den Inzest auf
ihre Weise früher und nahm das Wissen davon mit in den Tod. Auch
bei Sophokles durchschaut sie den Zusammenhang schneller als
Ödipus, wenn dort auch die Zeit der dramatischen Zuspitzung wegen
zu einer kurzen Spanne gerafft ist. Wieviel Zeit bei Aischylos zwischen
dem Tod der Mutter und der Selbstblendung des Ödipus lag, läßt sich
nicht sagen. Jedenfalls waren die Söhne inzwischen herangewachsen
und auf die Herrschaft begierig. Der Ödipus Rex des Sophokles, der
seinen eigenen Frevel aufdeckt, ist ein Mann in den besten Jahren15 16.
Der Ödipus in der gleichnamigen Tragödie des Aischylus scheint
dagegen ein Greis gewesen zu sein, als er sich, auf welche Weise auch
immer, über den Inzest klar wurde. Die Selbstblendung „mit den
Händen, die den Vater ermordet hatten“ - so der Chor in den Sieben
(783) - muß während des Stückes erfolgt sein. Ödipus trat anschließend
sicher mit der Blindenmaske auf. Aber diese Handlung kann nicht, wie
bei Sophokles, am Schluß gestanden haben. Dessen Tragödie war in
sich geschlossen, die des Aischylos dagegen bildete die Klammer
zwischen dem Laios und den Sieben. Sie war, den Choephoren ver-
gleichbar, innerhalb der Trilogie ein Durchgangsstück, das die Voraus-
setzungen für die letzte Tragödie enthalten mußte.
Aus diesen Überlegungen geht hervor, daß der Ödipus des Aischylos
nach der Aufdeckung des Inzestes die Szene enthielt, in der die Söhne
dem Blinden den goldenen Becher und den silbernen Tisch des Kad-
mos vorsetzten. Ja die Haupthandlung der Tragödie dürfte sich um jene
14 Höfer 728 ff.; Preller/Robert 132; Daly 777ff.
15 Zum Alter des Ödipus bei Sophokles: Melchinger (oben Anm. 1) 278.
16 Taplin 181 stellt sich das, wie es scheint, ähnlich vor: ... “the curse which had
without doubt been heard in the Oidipous and which is repeatedly alluded to
in the last third of Severi". Anderer Meinung war Robert 273 f., der im aischy-
leischen Ödipus als Haupthandlung dessen Tod rekonstruieren wollte. Darin ist
man ihm nicht gefolgt.
 
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