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Simon, Erika; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 5. Abhandlung): Das Satyrspiel Sphinx des Aischylos: vorgelegt am 11. Juli 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47798#0024
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22

Erika Simon

Links kauert auf einem Felsen, an dem eine Fichte wächst, auf drei
Beinen die Sphinx (Taf. 10). Das vierte Bein, die linke Vorderpranke,
ist waagrecht nach vom gestreckt, das heißt, sie macht einen Rede-
gestus, sie spricht59. Ihr Gefieder und der Kopf mit dem struppigen
Haar sowie der sich ringelnde Schwanz ragen in den oberen und den
seitlichen Ornamentrahmen hinein. Der Maler wollte dadurch die
Größe und die Gefährlichkeit des repac; zeigen, das er in der Vorzeich-
nung (Abb. a, S. 38) tiefer hatte sitzen lassen60. Doch dann kam er mit
der ungewohnten Darstellung, die sich nach rechts hin anschließt, in
Konflikt. Da sitzen auf schön geschwungenen Stühlen mit Rückenlehne
fünf weißhaarige Silene, der abgekürzte Chor eines Satyrspiels (Taf. 11).
Daß sie wirklich Silene sind, verrät das stupsnäsige Profil und das Pfer-
deohr; der Körper ist in einen reich gemusterten Mantel gehüllt. Was
von der Lehne niederhängt, ist nicht etwa der Pferdeschweif, sondern
ein Zipfel des gestreiften Gewebes, das über den Stuhlsitz gebreitet ist.
Alle fünf zeigen bis hin zu den Fuß- und Fingerspitzen die gleiche Hal-
tung; ein disziplinierter Chor also, wie es ihn im Satyrspiel nicht immer
gibt.
Ungewöhnlich sind auch die Attribute. Silene in Bürgertracht waren
zwar in dieser Dramengattung beliebt61. Hier aber spielen sie nicht ein-
fache Bürger sondern hohe Würdenträger. Purpurne Diademe liegen
um die weiß gesäumten Glatzen, und jeder stützt sich auf ein langes,
quer gestreiftes Zepter. Die feinen Muster auf den Mänteln und die
Decken auf den Stühlen unterstreichen dezent die Insignien der
Würde, mit denen sich dieser Chor umgeben hat. Wie kam er dazu? Da
es unwahrscheinlich ist, daß irgendjemand in Theben den Silenen
diese königlichen Attribute von sich aus überließ, müssen sie sich
durch einen 'Zufall’ der Insignien bemächtigt haben.
Dionysosheiligtum gestiftet worden waren und so auf die Vasenmaler einwirkten;
zu solchen Pinakes Froning 5 ff. Vielleicht war das Satyrspiel als Thema solcher
Pinakes sogar beliebter als die vorausgegangenen Tragödien, weil es wegen der
Anwesenheit der Silene mehr dem Dionysos, der die Weihgabe erhielt, gemäß
war. Auch mag das heitere Spiel manchmal wirklich den Ausschlag für den Sieg
gegeben haben.
59 Auch im Ödipus des Euripides spricht die Sphinx, wie J. Dingel gesehen hat,
zuerst „im Stehen“ ihr Rätsel und setzt sich dann hin: MusHelv 27, 1970, 90ff.
Es handelt sich um die Interpretation von POxy 2459 = Nova Fragmenta Euri-
pidea in papyris reperta ed. C. Austin (1968) F 83 S. 60f.
60 Vgl. den Anhang S. 3 8 ff.
61 Brommer 61f. Abb. 63. 64. 67.
 
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