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Martin Hengel
nähme, die die Regel bestätigt. Wie leicht bei einem Codex, der auch bei größe-
ren Briefen die Regel war, Titel bzw. Subscriptio verlorengehen konnten, zeigen
die obengenannten Beispiele aus dem Briefwechsel zwischen Augustin und Hiero-
nymus s.o. Anm. 12. Es ist doch wohl kein Zufall, daß der Diognetbrief in
der Alten Kirche keinerlei Bedeutung besaß und der Hebräerbrief sich zuerst
im Osten durchsetzte, wo man ihn aufgrund von c. 13 dem Paulus zuschrieb,
so schon in der ältesten Handschrift P. 46, vgl. Pantaenus nach Clemens Alex.
(Euseb, h.e. 6,14,4) und die weitergehende, noch künstlichere Erklärung des
Clemens selbst (6,14,2f.). Tertullian schreibt ihn dem Paulusgefährten Barnabas zu
(de pud. 20,2f.). „Mit der Aufnahme, die noch am Anfang des 5. Jahrhunderts
nicht überall vollzogen war, fiel stets die Anerkennung als Paulusbrief zusammen“
(A. v. Harnack, Die Briefsammlung des Apostels Paulus, 1926, 16); vgl. auch
O. Michel, Der Brief an die Hebräer, KEK 121966, 38f. Der Brief hat offenbar
schon ganz früh, „wie noch heute, mit abgeschnittener Adresse zirkuliert“ (A. v. Har-
nack, op. cit. 15f.). Um so mehr fällt auf, daß trotz der Verlegenheit, die die
Verfasserfrage dieses Briefes bereitete, die Inscriptio (bzw. Subscriptio) ΠΡΟΣ
ΕΒΡΑΙΟΣ in den alten und guten Handschriften relativ konstant bleibt und nicht
willkürlich verändert oder gar ersetzt wurde (s. C. Tischendorf, Nov. Test. Gr. II,
780.839 vgl. Nestle/Aland 26. Aufl. 587). Auch der Verfassername des Paulus
findet nur spät und selten Eingang. M.E. weist dies auf eine ganz frühe Hinzu-
fügung des Titels und einen festen Schreiberbrauch hin. S. dazu u. S. 43f. Euseb,
h.e. 5,27 zählt eine größere Anzahl von kirchlichen Schriftstellern zur Zeit des
Septimius Severus auf und fügt hinzu, daß - vermutlich in der Bibliothek von
Caesarea - auch Schriften „von vielen anderen seien, deren Namen er nicht
nennen könne ..., weil der Name der Verfasser nicht aufgeführt werde“. Von
diesen zitiert er freilich nur eine gegen Artemon (5,28,1), sie hat später bei Theo-
dore! von Cyrus (haeret. fab. comp. 2,5 MPG 83, 392 B 1) den Titel ,,ό σμικρός
λαβύρινθος“ und wurde - so Theodoret - von manchen irrtümlich dem Origenes
zugeschrieben; heute vermutet man als Vf. allgemein Hippolyt. Photius (bibl.
Cod. 46 ed. R. Henry 1,35) nennt als ihren Vf. dagegen den römischen Pres-
byter Gaius. Die Anonymität einer Schrift beeinträchtigte ihre Wirksamkeit und
wurde daher gerne durch Zuschreibung beseitigt, andererseits konnten bei ein-
fachen Papyruscodices leicht Deck- und Schlußblatt mit Inscriptio und Subscriptio
verlorengehen. Hieronymus vermutet bei dem ihm nach fünfjähriger Verspätung
durch Sisennius überbrachten Brief Augustins eine Fälschung, da dieser nicht die
Unterschrift Augustins trug (s. Augustin ep. 40; 68; 72; dazu Lietzmann, op. cit.
(Anm. 12) 287f. und G. Kloeters, op. cit. (Anm. 12) 235f.; vgl. 2 Thess 3,17).
Die Schwierigkeiten, die bei der sekundären Zuschreibung von Vf. und Titel
entstehen konnten, zeigt die von Photius loc. cit. (l,33ff.) erwähnte Schrift
„Uber das All“. Sie wurde als Werk des Josephus vorgelesen, aus einer gelehrten
Randbemerkung erschloß Photius, daß sie ebenfalls von Gaius stamme, andere
hätten als Vf. des άνεπίγραφον Justin, Irenäus und Origenes vermutet. In Wirk-
lichkeit stammt sie von Hippolyt, s. A. v. Harnack, Die Geschichte der altchrist-
lichen Litteratur bis Eusebius, 1,2, 622f.; 11,2, 219f, der - abgesehen von der
Verfasserfrage - vier verschiedene Titel aufzählt, wobei der Titel, den Hippolyt
haer. 10,32,4 (GCS 26 ed. Wendland p. 288) selbst der Schrift beilegt: περί τής
του παντός ουσίας sich von dem des Schriftenverzeichnisses auf seiner Statue:
προς Έλληνας και προς Πλάτωνα ή περί τοΰ παντός unterscheidet. Zuweilen
Martin Hengel
nähme, die die Regel bestätigt. Wie leicht bei einem Codex, der auch bei größe-
ren Briefen die Regel war, Titel bzw. Subscriptio verlorengehen konnten, zeigen
die obengenannten Beispiele aus dem Briefwechsel zwischen Augustin und Hiero-
nymus s.o. Anm. 12. Es ist doch wohl kein Zufall, daß der Diognetbrief in
der Alten Kirche keinerlei Bedeutung besaß und der Hebräerbrief sich zuerst
im Osten durchsetzte, wo man ihn aufgrund von c. 13 dem Paulus zuschrieb,
so schon in der ältesten Handschrift P. 46, vgl. Pantaenus nach Clemens Alex.
(Euseb, h.e. 6,14,4) und die weitergehende, noch künstlichere Erklärung des
Clemens selbst (6,14,2f.). Tertullian schreibt ihn dem Paulusgefährten Barnabas zu
(de pud. 20,2f.). „Mit der Aufnahme, die noch am Anfang des 5. Jahrhunderts
nicht überall vollzogen war, fiel stets die Anerkennung als Paulusbrief zusammen“
(A. v. Harnack, Die Briefsammlung des Apostels Paulus, 1926, 16); vgl. auch
O. Michel, Der Brief an die Hebräer, KEK 121966, 38f. Der Brief hat offenbar
schon ganz früh, „wie noch heute, mit abgeschnittener Adresse zirkuliert“ (A. v. Har-
nack, op. cit. 15f.). Um so mehr fällt auf, daß trotz der Verlegenheit, die die
Verfasserfrage dieses Briefes bereitete, die Inscriptio (bzw. Subscriptio) ΠΡΟΣ
ΕΒΡΑΙΟΣ in den alten und guten Handschriften relativ konstant bleibt und nicht
willkürlich verändert oder gar ersetzt wurde (s. C. Tischendorf, Nov. Test. Gr. II,
780.839 vgl. Nestle/Aland 26. Aufl. 587). Auch der Verfassername des Paulus
findet nur spät und selten Eingang. M.E. weist dies auf eine ganz frühe Hinzu-
fügung des Titels und einen festen Schreiberbrauch hin. S. dazu u. S. 43f. Euseb,
h.e. 5,27 zählt eine größere Anzahl von kirchlichen Schriftstellern zur Zeit des
Septimius Severus auf und fügt hinzu, daß - vermutlich in der Bibliothek von
Caesarea - auch Schriften „von vielen anderen seien, deren Namen er nicht
nennen könne ..., weil der Name der Verfasser nicht aufgeführt werde“. Von
diesen zitiert er freilich nur eine gegen Artemon (5,28,1), sie hat später bei Theo-
dore! von Cyrus (haeret. fab. comp. 2,5 MPG 83, 392 B 1) den Titel ,,ό σμικρός
λαβύρινθος“ und wurde - so Theodoret - von manchen irrtümlich dem Origenes
zugeschrieben; heute vermutet man als Vf. allgemein Hippolyt. Photius (bibl.
Cod. 46 ed. R. Henry 1,35) nennt als ihren Vf. dagegen den römischen Pres-
byter Gaius. Die Anonymität einer Schrift beeinträchtigte ihre Wirksamkeit und
wurde daher gerne durch Zuschreibung beseitigt, andererseits konnten bei ein-
fachen Papyruscodices leicht Deck- und Schlußblatt mit Inscriptio und Subscriptio
verlorengehen. Hieronymus vermutet bei dem ihm nach fünfjähriger Verspätung
durch Sisennius überbrachten Brief Augustins eine Fälschung, da dieser nicht die
Unterschrift Augustins trug (s. Augustin ep. 40; 68; 72; dazu Lietzmann, op. cit.
(Anm. 12) 287f. und G. Kloeters, op. cit. (Anm. 12) 235f.; vgl. 2 Thess 3,17).
Die Schwierigkeiten, die bei der sekundären Zuschreibung von Vf. und Titel
entstehen konnten, zeigt die von Photius loc. cit. (l,33ff.) erwähnte Schrift
„Uber das All“. Sie wurde als Werk des Josephus vorgelesen, aus einer gelehrten
Randbemerkung erschloß Photius, daß sie ebenfalls von Gaius stamme, andere
hätten als Vf. des άνεπίγραφον Justin, Irenäus und Origenes vermutet. In Wirk-
lichkeit stammt sie von Hippolyt, s. A. v. Harnack, Die Geschichte der altchrist-
lichen Litteratur bis Eusebius, 1,2, 622f.; 11,2, 219f, der - abgesehen von der
Verfasserfrage - vier verschiedene Titel aufzählt, wobei der Titel, den Hippolyt
haer. 10,32,4 (GCS 26 ed. Wendland p. 288) selbst der Schrift beilegt: περί τής
του παντός ουσίας sich von dem des Schriftenverzeichnisses auf seiner Statue:
προς Έλληνας και προς Πλάτωνα ή περί τοΰ παντός unterscheidet. Zuweilen