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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 3. Abhandlung): Die Evangelienüberschriften: vorgetragen am 18. Oktober 1981 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47814#0025
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Die Evangelienüberschriften

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4. Das eigene Zeugnis der vier Evangelien und die Individualität der
Autoren
Die vier Evangelien selbst, mit Mk als dem ältesten49 und Joh als
dem letzten, verfaßt zwischen 69 und ca. 100, enthalten in ihrem
Text keinen unmittelbar sichtbaren Hinweis auf den Namen ihrer
Verfasser als Autoren. Entweder fehlt der Name des Verfassers, so
bei Lukas und Johannes, oder wir finden zwar dessen Namen, aber
keinen Hinweis auf die Autorschaft, so bei Matthäus, oder aber es
fehlt - so bei Markus - beides. Umgekehrt zeichnet sich das zweite
und älteste Evangelium nach Markus dadurch aus, daß bei ihm allein
der Begriff εύαγγέλιον theologisch zentrale Bedeutung besitzt. Dies
zeigt schon die Einleitung Mk 1,1: άρχή του εύαγγελίου Ιησού
Χρίστου, die zugleich die Funktion einer Überschrift besitzt. Insge-
samt verwendet Markus den Begriff sieben mal. Am interessantesten
ist der letzte Beleg zu Beginn der Leidensgeschichte 14,9, wo Jesus
über die unbekannte Frau, die ihn in Bethanien salbte, spricht: „Wahr-
lich, ich sage euch, wo immer auch das Evangelium verkündet wird
(κηρυχύή) in der ganzen Welt, wird auch, was sie getan hat, erzählt
werden (λαληϋήσεται) zu ihrem Gedächtnis“. In der ersten Hälfte
dieses Satzes spricht der markinische Jesus in durchaus paulinischem
Sinne davon, daß die Heilsbotschaft weltweit gepredigt wird, in der
zweiten Hälfte setzt er voraus, daß zu dieser Predigt die Erzählung
von Jesusgeschichten und hier wieder besonders des Passionsberichts
gehört, in der selbst das Tun dieser Frau seinen Platz hat. Der er-
zählende, „geschichtliche“ Bericht vom Wirken und Leiden Jesu ist
für Markus - anders als es noch bei Paulus der Fall zu sein scheint -
ein wesenhafter Teil der Verkündigung des Evangeliums: Predigt
und Geschichtserzählung sind für ihn keine Gegensätze, sondern un-
trennbar miteinander verbunden. Ehen darum kann er sein - im an-
tiken Sinn durchaus als „Jesusbiographie“ zu verstehendes - Werk
als εύαγγέλιον Ιησού Χριστού bezeichnen50.
Jahrhunderts“. Eigenartig schwankend sind die Angaben bei Ph. Vielhauer, op. cit.
(Anm. 5) 407 „etwa 1. Hälfte des 2. Jh.s“; „etwa um die Mitte des 2. Jh.s“ unter
irreführendem Hinweis auf Hornschuh (684).
49 Zur Datierung und Lokalisierung des Markusevangeliums auf das Krisenjahr
69 n.Chr. in Rom s. Μ. Hengel, Entstehungszeit und Situation des Markus-
evangeliums, in: H. Cancik (Hg.), Markus-Philologie, WUNT 33 (1984), 1-45.
50 Zu εύαγγέλιον bei Mk s. Μ. Hengel, in: Das Evangelium und die Evangelien,
257ff. Ich frage mich, ob hier nicht ein petrinisches Verständnis des Begriffs
εύαγγέλιον vorliegen könnte.
 
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