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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 3. Abhandlung): Die Evangelienüberschriften: vorgetragen am 18. Oktober 1981 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47814#0030
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28

Martin Hengel

Dieser Beobachtung steht nicht entgegen, daß die urchristlichen
Autoren bis hin zu Ignatius, Polykarp und Hermas als Geistträger
auftraten. An sich besaß ja das ganze endzeitliche Gottesvolk die
Gabe des Geistes, eben darum mußte sich der Geist, um besondere
apostolisch-prophetische Autoritäten (und Autoren) sichtbar werden
zu lassen, mit konkreten Einzelpersönlichkeiten verbinden.
5. Die praktische Notwendigkeit des Titels
5.1 Buchtitel in der Antike und Editionen im frühen Christentum
Um die Funktion der Evangelientitel zu verstehen, müssen wir
einen kurzen Blick in die griechische Literatur werfen60:
Die ersten klassischen Geschichtswerke bedurften noch keiner
Inscriptio. Im ersten Satz stellte sich der Verfasser selber vor: „Heka-
taios, der Milesier, erzählt folgendes: Ich schreibe dies, wie es mir
als wahr erscheint, denn die Erzählungen der Griechen sind, wie sie
mir vorkommen, zahlreich und lächerlich“61. Der Titel eines Schrift-
werkes wurde erst dort wirklich notwendig, wo man zwischen ver-
schiedenen Werken und Autoren unterscheiden wollte, etwa im Buch-
verwendeten Titel seines Werkes στρωματεΐς ausführlich begründet. Da das erste
Blatt des Werkes weggefallen ist, wissen wir nicht, ob er schon dort darauf ein-
gegangen ist. Dazu H. Zilliacus, op. cit. (Anm. 60) 26f.
60 Ich kann hier aus Raumgründen auf die Entwicklung des Buchtitels in der Antike
nicht näher eingehen, sondern nur einige Literatur nennen: E. Schmalzriedt,
ΠΕΡΙ ΦΥΣΕΩΣ. Zur Frühgeschichte der Buchtitel, München 1970, dazu die kriti-
sche Rezension von C. W. Müller, Gnomon 50 (1978) 628-638. Grundlegend
bleibt: E. Nachmanson, Der Griechische Buchtitel. Einige Beobachtungen, Göte-
borgs Högskolas Arsskrift XLVII, 1949,19; H. Zilliacus, Boktiteln in antik Literatur,
Eranos 36 (1938) 1-40; vgl. auch R. P. Oliver, The First Medicean MS of Tacitus
and the Titulature of Ancient Book, TP APA 82 (1951) 232-261. Zur antiken Buch-
beschreibung und ihrer Rolle für das Bibliothekswesen s. C. Wendel, Die grie-
chisch-römische Buchbeschreibung verglichen mit der des vorderen Orients, HM 3,
1949, dort zum Titel 106ff. Zum außen angebrachten Büchertitel bei Rollen, dem
sog. σύλλιβος s. schon Th. Birt, Die Buchrolle in der Kunst, 1907 (Nachdr. 1976),
237ff. und Index s.v. Sittybos; allgemein zum frühchristlichen und antiken Buch:
Artk Buch I/II L. Koep/S. Morenz/I. Leipoldt, RAC 3, 1954, Sp 664-717, zum
Titel 674f.685; allzu knapp D. Fouqet-Plümacher TRE 7, 1981, 275-278.288f. (Lit.).
61 FGrHist 1 F 1: 'Εκατάΐος Μιλήσιος ώδε μυϋεΐταν τάδε γράφω ώς μοι δοκεΐ άληϋέα
είναι. Schon hier spricht eine rationalistisch-kritische Persönlichkeit. Ähnlich Hero-
dot, Prol. und Thukydides 1,1·
 
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