Metadaten

Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 3. Abhandlung): Die Evangelienüberschriften: vorgetragen am 18. Oktober 1981 — Heidelberg: Winter, 1984

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47814#0040
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
38

Martin Hengel

Justin in Rom88, die Katechetenschule eines Pantänus und Clemens
in Alexandrien wie auch die frühesten gnostischen Schulen eines
Basilides oder Valentin müssen über gelehrte Bibliotheken verfügt
haben. Selbst reisende Christen konnten sich nicht von ihren Büchern
trennen89, und der Spötter Lukian schreibt dem Betrüger Peregrinus
Proteus während seiner christlichen Phase einen intensiven Umgang
mit Büchern sowie eine eigene Buchproduktion zu90.
Uns interessieren hier jedoch die zahlreichen kleineren Bibliothe-
ken der Gemeinden für den praktischen Gebrauch, bei denen Ge-
meindearchiv und Büchersammlung zusammenfielen. Sie enthielten
außer den Büchern für gottesdienstliche Lesung und Schriftstudium
auch Briefe, Listen und Abrechnungen. Daß man ganze Briefsamm-
lungen anlegte und verschickte, zeigen die sieben Ignatiusbriefe91 und
lam autem et collegi eorum conscriptorum (seil, der Kainiten). Vgl. adv. haer. 1,
Prol. 2: έντυχών τοΐς ύπομνήμασι των ώς αυτοί λέγουσιν Ούαλεντίνων μαθητών.
88 Zur Schule Justins s. Mart. Justini c. 3 (ed. H. Musurillo, The Acts of the Christian
Martyrs, OECT 1972, 44); W. Bousset, Jüdisch-christlicher Schulbetrieb in Alex-
andrien und Rom, 1915 Nachdr. 1975, 3821Γ. Außer den alttestamentlichen und
neutestamentlichen Schriften standen ihm auch sibyllinische Bücher, die Orakel
des Hystaspes (apol. 20,1; 44,12), Xenophons Memorabilien (apol. II 11,3), pla-
tonische Dialoge, Homer sowie Apokrypha wie das Petrusevangelium und das
Protevangelium Jacobi zur Verfügung.
89 VgL 2 Tim 4,12. In den μέμβρανα würde ich Notizbücher aus Pergament sehen,
s. C. H. Roberts/T. C. Skeat, The Birth of the Codex, 1983, 22.60. Sie waren die
Vorstufen des Pergament-Codex. Zur Sache s. C. Spicq, op.cit. (Anm. 78),
2,814flf. Melito von Sardes bringt von seiner Reise nach Palästina ein genaues
Verzeichnis der Schriften des „Alten Bundes“ mit, aus denen er „Auszüge“ in
sechs Büchern machte, s. sein Brief an Onesimus: Euseb, h.e. 4,26.13.14. Aberkios
hat bei seiner Reise nach Syrien und Mesopotamien immer „Paulus auf dem
Wagen“. So die wahrscheinliche Lesung, s. W. Wischmeyer, JbAC 23 (1980)
23-47 (25 Z. 12): „'Paulus’ als pars pro toto der christlichen heiligen Schriften“ (41);
vgl. dazu Apg 8,28ff. In der Contestatio der Empfänger der Kerygmata Petrou 3,3
(PsClemHom ed. B. Rehm, GCS 42, 1953, 3) verpflichten sich diese, wenn sie
auf Reisen sind, entweder alle Bücher mitzunehmen oder aber einem recht-
gläubigen Bischof anzuvertrauen.
90 De morte Peregrini 11: και των βίβλων τάς μέν εξηγείτο και διεσάφει, πολλάς
δε αύτος και συνέγραφεν. S. auch ο. S. 14 Anm. 24 die Aufforderung des Apolo-
geten Aristides an den Kaiser, die Bücher der Christen zu lesen.
91 Zur Briefsammlung des Ignatius und zu den Polykarpbriefen s. Ph. Vielhauer,
op. cit. (Anm. 5) 540-566 (543ff.562f.); A. v. Harnack, Die Briefsammlung des
Apostels Paulus, 1929, 28-35; wesentlich jetzt auch C. P. Hammond-Bammel,
Ignatian Problems, JThS 33 (1982) 62-97. P. N. Harrison, Polycarp’s two Epistles
to the Philippians, 1936. Zur Sammlung der Dionysios-Briefe s. P. Nautin, op.cit.
(Anm. 81) 10-32.90L
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften