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Jauß, Hans Robert; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 1. Abhandlung): Die Epochenschwelle von 1912: Guillaume Apollinaire: "Zone" u. "Lundi rue Christine" ; vorgetragen am 11. Jan. 1986 — Heidelberg: Winter, 1986

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48144#0045
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Die Epochenschwelle von 1912

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Damit ist nun auch die angloamerikanische Avantgarde benannt, die
den Anbruch einer neuen Epoche des „modernisme“ (ihre Wortprä-
gung!) unter die Devise Pounds: “Make it new!“ stellte, rückblickend
zu erkennen glaubte, daß „in or about December 1910 human char-
acter changed“, und das deklarierte Ziel verfolgte: “making the modern
world possible for art“60. Der Modernismus der genannten Autoren ist
nicht hinlänglich erfaßt, wenn man die hier paradigmatisch begonnene
Dezentrierung des Subjekts nurmehr mit Kategorien des Verlustes, als
epochales System eines unentrinnbaren Selbtentzugs in der fortschrei-
tenden Verdinglichung der modernen Welt, interpretiert. Demgegen-
über hat Gabriele Schwab unlängst in einer Konstanzer Habilitations-
schrift gezeigt61, wie diese ‘Klassiker der Moderne’ in verschiedenen
Schritten der Sprachentgrenzung auch die Grenzen der Subjektivität
zugleich erweitert und neukonstituiert haben, so daß in ästhetischen
Prozessen der De- und Rekonstruktion das Subjekt aus dem Verlust
seiner cartesianischen Selbstgenügsamkeit in neuen Gestalten hervor-
gehen und ästhetische Erfahrung den vermeintlich unheilbaren Welt-
verlust kompensieren konnte.
VI.
Die bisherige Betrachtung läßt sich auch auf den Nenner bringen,
daß der Bruch zwischen auratischer und postauratischer Kunst eine
der markanten Grenzlinien ist, an der sich die ‘Anciens’ und die
‘Modernes’ in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg schieden. Dabei
wurde der heute so vielbeschworene ‘Verlust der Aura’ - der Aura des
autonomen Ichs wie der des autonomen Werks - von den Klassikern
der jüngst vergangenen Moderne zwar erkannt, doch nicht so sehr als
Verlust denn als Grenzerweiterung der ästhetischen Erfahrung - der
produktiven wie der rezeptiven - erfahren. Dieser Gewinn im Verlust
der auratischen Kunst ist die oft noch zu wenig beachtete Kehrseite der
Auflösung der traditionellen Werkeinheit, in der schon Adorno (1949)
und nach ihm R. Bubner und P. Bürger die epochemachende, das spä-
tere Scheitern der surrealistischen Avantgarden überdauernde Neue-
60 Belege bei M. Köhler: „Postmodernismus - Ein begriffsgeschichtlicher Überblick“,
in: Amerikastudien 22 (1977), S. 19f.
61 Entgrenzungen und Entgrenzungsmythen - Zur Anthropologie der Subjektivität im
modernen angloamerikanischen Roman, Habilitationsschrift Konstanz, 1982.
 
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