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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0023
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Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende

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unversehrt, aber anders, -lazet hieß dort Calbalazeda; so buchstabierte
Hermann qalb al-asad, „Herz des Löwen“. Ferner vermerkte er, die
Achse des Astrolabs werde bei den Arabern alchitob genannt. Mein
Fragment gab das Wort mit alcoto- wieder, und al-qutb hieß wirklich
‘Pol’ oder ‘Achse’, wie mich eine Fußnote des modernen Herausgebers
belehrte.10
Aber woher wußte das Hermann, neunhundert Jahre zuvor? Um
diese Frage zu beantworten, müssen wir mehr als zwölfhundert Jahre
hinter Hermann zurückgehen, zu den Anfängen des Astrolabs. Es
entwickelte sich so verwirrend und vielschichtig, wie das Konstanzer
Fragment aussieht. Wie können seinen Text erst verstehen, wenn wir
die Geschichte des Instruments überblicken, von dem es spricht.
2. Entwicklung des Astrolabs am Mittelmeer bis zum
9. Jahrhundert
Was ein Astrolab ist, sagt das Fragment selbst: ein kleines, flaches,
transportables Instrument zum Anvisieren von Fixsternen und Plane-
ten. Damit konnte man die Bewegungen des gesamten Tierkreises und
einzelner Gestirne, zumal der Sonne und des Mondes, verfolgen. Man
tat es hauptsächlich, um einzelne Zeitpunkte bei Tag und Nacht an
verschiedenen Orten der Erde genau zu bestimmen, nahm also die
Astronomie in den Dienst mathematischer Chronologie und Geogra-
phie.
Eine solche Zweckbestimmung paßt nicht in die Ursprünge der
Sternkunde überhaupt. Längst beobachteten Babylonier und Ägypter
die Vorgänge am gestirnten Himmel, den Aufgang und Untergang der
Sternbilder, die Umläufe von Sonne und Mond, den Wechsel ihres
Erscheinens, sei es, um daraus langfristige Weisungen für das Verhal-
ten einzelner Menschen abzuleiten, sei es, um die ewigen Großzyklen
des gemeinsamen Kalenders festzulegen. Dafür sorgten Priester, die in

10 Hermann, De mensura astrolabii c. 6 S. 209 f. Calbalazeda und alchitob; das
Glossar des Herausgebers Julius Drecker S. 212-214. Zur Kritik an seiner
Edition Zinner, Instrumente S. 136 f.; Kunitzsch, Glossar S. 482; Borst,
Forschungsbericht S. 436 Anm. 132. Doch sind die älteren Ausgaben bei Migne
PLBd. 143 Sp. 381-390; Gunther, AstrolabesBd. 2 S. 404-408 schlechter, zumal
sie Hermanns Konstruktionszeichnungen weglassen. Zur historischen Einord-
nung von Hermanns Werk unten Anm. 143.
 
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