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Arno Borst
tion des täglichen und nächtlichen Sternenlaufs, erst später auch bei
astrologischen Spekulationen über das Menschenlos und bei der
Landvermessung. Für die Navigation byzantinischer Seefahrer auf dem
Mittelmeer scheint es nie verwendet worden zu sein. So gut das
Astrolab als Symbol innerweltlicher Orientierung in die bewegte
Epoche Justinians paßte, der überzeitliche Nimbus einer Ikone blieb
ihm versagt. So wurde es nicht zum Rangabzeichen der politischen,
geistlichen und gelehrten Eliten in Konstantinopel.23
Mit den Trümmern antiker Bildung kam das Astrolab im 9.
Jahrhundert, vermutlich durch syrische Vermittler, vielleicht auch
durch die Astronomenschule von Harran, zum Islam und in den
arabischen Kulturkreis.24 Wie man es benutzte, erläuterte den Musli-
men zum Beispiel der berühmte Mathematiker und Astronom al-
ChwärismT in Bagdad vor 840. Viele andere Autoren folgten, darunter
ähnlich namhafte Universalgelehrte.25 Hier brauchte man das Astrolab
nicht bloß zur Beobachtung von Planetenbewegungen und zur Berech-
nung von Horoskopen, sondern darüber hinaus zur Zeitmessung an
Standorten, deren geographische Koordinaten bekannt waren, und zur
Kursbestimmung bei Fahrten über die Meere, vor allem aber zur
gewissenhaften Erfüllung von drei religiösen Grundpflichten des Islam,
zur Ermittlung der Gebetsrichtung nach Mekka, der fünf täglichen
23 Das älteste bis heute erhaltene Astrolab aus Konstantinopel wurde erst 1062
gebaut; dazu Gunther, Astrolabes Bd. 1 S. 104-108; Destombes, Astrolabe S.
9-12. Zu späteren, meist ungedruckten byzantinischen Astrolab-Traktaten
Kunitzsch, Glossar S. 463 f.
24 Zu den Vermittlungsstufen Michel, Traite S. 7 f. (dort auch zu Harran, auf das
mich Josef van Ess hinwies); Millas, Traducciones S. 82-87; Paul Kunitzsch,
Observations on the Arabic Reception of the Astrolabe, AIHS 31 (1981) S.
243-252; Turner, Museum S. 13 f. Daß der lateinische Text, der dem ägypti-
schen Juden Messahalla (um 800) zugeschrieben wurde, nicht den ältesten
arabischen Traktat konserviert, sondern erst im 13. Jahrhundert entstand,
erweist nach ersten Bedenken von Michel, Traite S. 8 f.; Zinner, Astrolab S. 14
definitiv Paul Kunitzsch, On the Authenticity of the Treatise on the Composition
and Use of the Astrolabe ascribed to Messahalla, AIHS 31 (1981) S. 42-62;
Kunitzsch, Glossar S. 499-501.
25 Josef Frank, Die Verwendung des Astrolabs nach al Chwärizrm (1922) S. 6-17
deutsche Übersetzung. Eine Gebrauchsanweisung aus dem späten 9. Jahrhun-
dert übersetzen Julius Drecker und Carl Schoy, CA1I ibn eIsä. Das Astrolab und
sein Gebrauch, Isis 9 (1927) S. 239-254; dazu Zinner, Astrolab S. 14 f.
Gesamtübersicht der arabischen Traktate bei Michel, Traite S. 180-185;
Kunitzsch, Sternnamen S. 25-34, 59-64; Kunitzsch, Glossar S. 513 f.
Arno Borst
tion des täglichen und nächtlichen Sternenlaufs, erst später auch bei
astrologischen Spekulationen über das Menschenlos und bei der
Landvermessung. Für die Navigation byzantinischer Seefahrer auf dem
Mittelmeer scheint es nie verwendet worden zu sein. So gut das
Astrolab als Symbol innerweltlicher Orientierung in die bewegte
Epoche Justinians paßte, der überzeitliche Nimbus einer Ikone blieb
ihm versagt. So wurde es nicht zum Rangabzeichen der politischen,
geistlichen und gelehrten Eliten in Konstantinopel.23
Mit den Trümmern antiker Bildung kam das Astrolab im 9.
Jahrhundert, vermutlich durch syrische Vermittler, vielleicht auch
durch die Astronomenschule von Harran, zum Islam und in den
arabischen Kulturkreis.24 Wie man es benutzte, erläuterte den Musli-
men zum Beispiel der berühmte Mathematiker und Astronom al-
ChwärismT in Bagdad vor 840. Viele andere Autoren folgten, darunter
ähnlich namhafte Universalgelehrte.25 Hier brauchte man das Astrolab
nicht bloß zur Beobachtung von Planetenbewegungen und zur Berech-
nung von Horoskopen, sondern darüber hinaus zur Zeitmessung an
Standorten, deren geographische Koordinaten bekannt waren, und zur
Kursbestimmung bei Fahrten über die Meere, vor allem aber zur
gewissenhaften Erfüllung von drei religiösen Grundpflichten des Islam,
zur Ermittlung der Gebetsrichtung nach Mekka, der fünf täglichen
23 Das älteste bis heute erhaltene Astrolab aus Konstantinopel wurde erst 1062
gebaut; dazu Gunther, Astrolabes Bd. 1 S. 104-108; Destombes, Astrolabe S.
9-12. Zu späteren, meist ungedruckten byzantinischen Astrolab-Traktaten
Kunitzsch, Glossar S. 463 f.
24 Zu den Vermittlungsstufen Michel, Traite S. 7 f. (dort auch zu Harran, auf das
mich Josef van Ess hinwies); Millas, Traducciones S. 82-87; Paul Kunitzsch,
Observations on the Arabic Reception of the Astrolabe, AIHS 31 (1981) S.
243-252; Turner, Museum S. 13 f. Daß der lateinische Text, der dem ägypti-
schen Juden Messahalla (um 800) zugeschrieben wurde, nicht den ältesten
arabischen Traktat konserviert, sondern erst im 13. Jahrhundert entstand,
erweist nach ersten Bedenken von Michel, Traite S. 8 f.; Zinner, Astrolab S. 14
definitiv Paul Kunitzsch, On the Authenticity of the Treatise on the Composition
and Use of the Astrolabe ascribed to Messahalla, AIHS 31 (1981) S. 42-62;
Kunitzsch, Glossar S. 499-501.
25 Josef Frank, Die Verwendung des Astrolabs nach al Chwärizrm (1922) S. 6-17
deutsche Übersetzung. Eine Gebrauchsanweisung aus dem späten 9. Jahrhun-
dert übersetzen Julius Drecker und Carl Schoy, CA1I ibn eIsä. Das Astrolab und
sein Gebrauch, Isis 9 (1927) S. 239-254; dazu Zinner, Astrolab S. 14 f.
Gesamtübersicht der arabischen Traktate bei Michel, Traite S. 180-185;
Kunitzsch, Sternnamen S. 25-34, 59-64; Kunitzsch, Glossar S. 513 f.