22
Arno Borst
unverrechnet an die Ewigkeit des Himmels und vertrugen weder
kurzfristige Zerlegung noch langfristige Voraussage.28
Bischof Isidor von Sevilla zog um 630 eine scharfe Grenze zwischen
Astronomie und Astrologie, die kein Lateiner danach übersah, keiner
leichtfertig überschritt. „Gott hat die Sterne zu Anfang der Welt
geschaffen und durch ihren sicheren Lauf die Unterscheidung der
Zeiten geordnet. Daher widersprechen Beobachtungen dieser Zei-
chen, ihres Stands in der Geburtsstunde und andere abergläubische
Bräuche, die man zur Schicksalserforschung mit der Sternkunde
vermengt, zweifellos unserem Glauben und müssen von Christen so
mißachtet werden, als wären sie nie geschrieben.“
Abraham mag die Astronomie, welche Gesetz, Lauf und Gestalt der
Sterne vernünftig erforscht, den Ägyptern gebracht haben, deren
König Ptolemaios sie nachher in Alexandria besonders pflegte, in
seiner Bibliothek, die auch heilige Schriften verwahrte. Anzufechten
war hingegen die jüdische Tradition, daß Abraham die Ägypter auch
chaldäische Astrologie gelehrt hätte, den Irrglauben an die Einwirkung
der Tierkreiszeichen auf das Ergehen des Menschen. Deshalb verzich-
tete Isidor, sonst den Zahlen sehr zugetan, bei der Beschreibung von
Sonne, Mond und Sternen auf jede arithmetische Fixierung ihrer
Größe, ihres Abstands, ihres Umlaufs. Menschenwürdige Zeit wurde
durch Gelehrte errechnet, nicht durch Maschinen gemessen. Da das
Astrolab, eine analoge Rechenmaschine, die unheimlichen Machen-
schaften der mathematici und horoscopi auch noch zu beschleunigen
half, war es als Sinnbild der Sterndeuterei für das europäische
Frühmittelalter ein Teufelsding.29
Man ignorierte es sogar am Hof Karls des Großen, der doch sonst
Konstantinopel und Bagdad nicht aus den Augen verlor. Aber in einem
28 Zu den Zeitvorstellungen Aaron J. Gurjewitsch, Das Weltbild des mittelalter-
lichen Menschen (1980) S. 98-122; Horst Fuhrmann, Einladung ins Mittelalter
(1987) S. 19-24; ergänzend Borst, Computus S. 7-19, auch zur Abwertung der
Mathematik; zu dieser außerdem Borst, Zahlenkampfspiel S. 34-37.
29 Isidor von Sevilla, Etymologiae III, 71, 37 f., hg. von Wallace M. Lindsay, Bd. 1
(1911, unpaginiert) Schöpfung und Deutung der Sterne; III, 24-27,2 Geschichte
von Astronomie und Astrologie; über König Ptolemaios auch VI, 3, 5; über
mathematici und horoscopi VIII, 9, 25-26. Dazu Verf., Das Bild der Geschichte
in der Enzyklopädie Isidors von Sevilla, DA 22 (1966) S. 1-62, hier S. 32, wo ich
Abrahams Rolle zu einfach darstellte. Aus der Luft gegriffen ist die Vermutung
von Lynn White jr., Die mittelalterliche Technik und der Wandel der
Gesellschaft (1968) S. 99, daß sich der Gebrauch antiker Astrolabien im
westlichen Frühmittelalter ohne Unterbrechung erhalten habe.
Arno Borst
unverrechnet an die Ewigkeit des Himmels und vertrugen weder
kurzfristige Zerlegung noch langfristige Voraussage.28
Bischof Isidor von Sevilla zog um 630 eine scharfe Grenze zwischen
Astronomie und Astrologie, die kein Lateiner danach übersah, keiner
leichtfertig überschritt. „Gott hat die Sterne zu Anfang der Welt
geschaffen und durch ihren sicheren Lauf die Unterscheidung der
Zeiten geordnet. Daher widersprechen Beobachtungen dieser Zei-
chen, ihres Stands in der Geburtsstunde und andere abergläubische
Bräuche, die man zur Schicksalserforschung mit der Sternkunde
vermengt, zweifellos unserem Glauben und müssen von Christen so
mißachtet werden, als wären sie nie geschrieben.“
Abraham mag die Astronomie, welche Gesetz, Lauf und Gestalt der
Sterne vernünftig erforscht, den Ägyptern gebracht haben, deren
König Ptolemaios sie nachher in Alexandria besonders pflegte, in
seiner Bibliothek, die auch heilige Schriften verwahrte. Anzufechten
war hingegen die jüdische Tradition, daß Abraham die Ägypter auch
chaldäische Astrologie gelehrt hätte, den Irrglauben an die Einwirkung
der Tierkreiszeichen auf das Ergehen des Menschen. Deshalb verzich-
tete Isidor, sonst den Zahlen sehr zugetan, bei der Beschreibung von
Sonne, Mond und Sternen auf jede arithmetische Fixierung ihrer
Größe, ihres Abstands, ihres Umlaufs. Menschenwürdige Zeit wurde
durch Gelehrte errechnet, nicht durch Maschinen gemessen. Da das
Astrolab, eine analoge Rechenmaschine, die unheimlichen Machen-
schaften der mathematici und horoscopi auch noch zu beschleunigen
half, war es als Sinnbild der Sterndeuterei für das europäische
Frühmittelalter ein Teufelsding.29
Man ignorierte es sogar am Hof Karls des Großen, der doch sonst
Konstantinopel und Bagdad nicht aus den Augen verlor. Aber in einem
28 Zu den Zeitvorstellungen Aaron J. Gurjewitsch, Das Weltbild des mittelalter-
lichen Menschen (1980) S. 98-122; Horst Fuhrmann, Einladung ins Mittelalter
(1987) S. 19-24; ergänzend Borst, Computus S. 7-19, auch zur Abwertung der
Mathematik; zu dieser außerdem Borst, Zahlenkampfspiel S. 34-37.
29 Isidor von Sevilla, Etymologiae III, 71, 37 f., hg. von Wallace M. Lindsay, Bd. 1
(1911, unpaginiert) Schöpfung und Deutung der Sterne; III, 24-27,2 Geschichte
von Astronomie und Astrologie; über König Ptolemaios auch VI, 3, 5; über
mathematici und horoscopi VIII, 9, 25-26. Dazu Verf., Das Bild der Geschichte
in der Enzyklopädie Isidors von Sevilla, DA 22 (1966) S. 1-62, hier S. 32, wo ich
Abrahams Rolle zu einfach darstellte. Aus der Luft gegriffen ist die Vermutung
von Lynn White jr., Die mittelalterliche Technik und der Wandel der
Gesellschaft (1968) S. 99, daß sich der Gebrauch antiker Astrolabien im
westlichen Frühmittelalter ohne Unterbrechung erhalten habe.