Metadaten

Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0037
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende 27

der Kreis-Skala entsprachen.40 Die katalanischen Übersetzer aber
verliehen dem Wissen vom Astrolab, ohne es im Kern zu verändern,
neuartige Exklusivität: Die Latinisierung bewirkte eine Literarisierung
der Kenntnisse. Sie sprachen fortan bloß noch Lesekundige an, und
lesen konnten damals allein Geistliche, die Theoretiker der Christen-
heit.
Wäre somit Heimpels erste Vermutung richtig gewesen, lag vor mir
etwa das fehlende nordspanische Bindeglied zwischen arabischen
Astronomen und Reichenauer Benediktinern? Wahrscheinlich nicht.
Daß die arabische Kunde vom Astrolab auf umständlichere Weise ins
Abendland gekommen sei, glaubte die jüngere historische Forschung
zu wissen. Den friedlichen Austausch in Spanien unterbrach 981 ein
‘Heiliger Krieg’ des fanatischen Muslims al-Mansur. In Cordoba selbst
ließ er gelehrte Bücher verbrennen.41 Mit dem Wissenschaftstourismus
in Andalusien war es vorbei; wanderlustige Christen pilgerten zu
heiligeren Zielen, als Vorboten der Kreuzzugsbewegung. Die Grafen
von Barcelona baten die Könige von Frankreich um militärischen
Schutz vor der drohenden sarazenischen Invasion.42
Erzdiakon Seniofredus-Lupitus von Barcelona, ein Vertrauter des
dortigen Grafen, empfahl sich seinen französischen Amtsbrüdern 984
als letzter Hüter paradiesischer Weisheit, als Kenner der Arithmetik,
Geometrie, Geographie und Astronomie von Abraham und Ptole-
maios. Diese gelehrte Tradition war den Katalanen seit den Tagen
Isidors von Sevilla schriftlich übermittelt worden, schriftlich reichten
sie sie weiter. Weil über ihnen die Zeit plötzlich als apokalyptische

40 Sententie astrolabii, hg. von Millas, Assaig S. 279 erwähnten auf der Rückseite
eine eigene Gradskala des Tierkreises mit Ekliptikpunkten; dazu Kunitzsch,
Glossar S. 557. Demensura astrolabii c. 1, hg. von Millas, Assaig S. 298 f. kannte
die beiden Skalen von Tierkreis und Sonnenjahr. Zu ihrer Herkunft aus dem
islamischen Spanien Zinner, Astrolab S. 14-16, der die 360er-Skala des
Jahresrings nicht beachtet. Erst die Konstruktion von Hermann, De mensura
astrolabii c. 8 S. 211 teilte ihn in 365 Tage und berücksichtigte die unterschied-
liche Dauer der römischen Monate.
41 Dazu Evariste Levi-Provengal, Histoire de l’Espagne musulmane, Bd. 2 (21950)
S. 212-259; mit etwas verschobener Zäsur Anwar G. Chejne, Muslim Spain. Its
History and Culture (1974) S. 163 f.
42 Dazu Ramon d’Abadal i de Vinyals, Els primers comtes catalans (1958) S.
327-336; Pierre Bonnassie, La Catalogne du milieu du Xe ä la fin du XIC siede.
Croissance et mutations d’une societe, Bd. 1 (1975) S. 340-351.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften