Metadaten

Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0045
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende

35

moderner Rechnung in je 20 Zeitminuten - das unter Astrolabkennern
gängigste Maß für Bruchteile von Stunden. Es entspricht der auf frühen
Astrolabien üblichen Zusammenfassung von je 5 Graden und enthüllt,
wo die angestrebte Genauigkeit ihre Grenze erreicht. Um einzelne
Grade oder gar Minuten bemüht sie sich nicht.
Hierauf greift das Fragment ein verwandtes Thema an, die Feststel-
lung von Bruchteilen einer Äquinoktialstunde. Sie entstammt jener
Einteilung eines Tages und einer Nacht in insgesamt 24 gleiche
Stunden, die sich seit dem Spätmittelalter durchgesetzt hat, zuvor aber
nur bei Fachleuten für Zeitrechnung und Sternkunde im Schwang war.
Es ist dem Autor klar, daß er bei dieser Zählweise die Stunden des Tags
nicht von denen der Nacht trennen muß. Er macht den Leser auch
darauf aufmerksam, daß die Äquinoktialstunden nur an zwei Tagen im
Jahr, bei der Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr und im Herbst, mit
den Temporalstunden übereinstimmen. Nur dann währt die gewohnte
Stunde - modern ausgedrückt - 60 Minuten.
Diesmal rechnet uns der Verfasser vor, daß bei der Teilung des
Vollkreises in 24 gleiche Abschnitte auf jede Stunde 15 Grade treffen.
Er sagt auch, was er uns vorhin raten ließ, daß die Skala bloß jeden
fünften Grad ausweist. Das Meßverfahren zwischen Beginn und Ende
einer Stunde ist das gleiche wie eben bei den ungleichen Tagstunden:
Der Zeiger auf der Spinne gibt mit der Graddifferenz die verstrichenen
Stundenteile an. Durch Umrechnung in Äquinoktialstunden könnte
man auch das Anwachsen und Abnehmen der Temporalstunden im
Lauf des Jahres beziffern; das will der Autor indes nicht ausbreiten und
empfiehlt Spezialliteratur, angeblich von Ptolemaios.
Der letzte Abschnitt schlägt zu Beginn das gleiche Thema an, mit
veränderten Worten, die erneut Tag und Nacht verklammern. Hier
wird deutlicher als zuvor definiert, daß als normaler Tag die Spanne
vom Aufgang bis zum Untergang der Sonne gelten soll, als Nacht der
Rest des vollen Umlaufs, und daß sich die Sphäre in einem Tag und
einer Nacht um 360 Grad dreht. Bevor wir näher über die besonderen
Verhältnisse bei der Tag- und Nachtgleiche unterrichtet werden, bricht
der Text des Fragments ab, mitten im Wort.
Das hier beschriebene Astrolab ist, wie sich abschließend zeigt, nicht
eindeutig definiert. Zwei verschiedene Typen treten uns entgegen, der
eine ohne Stundenlinien, jedoch mit Häusergrenzen, der andere
umgekehrt. Der erste Typ, das kugelförmige Astrolab, im Islam seit
dem 9. Jahrhundert bekannt, wird bloß einleitend und hilfsweise
herangezogen. Seine Konturen bleiben verschwommen, der Autor
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften