Metadaten

Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0046
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
36

Arno Borst

bekam wahrscheinlich nie ein Exemplar zu sehen. Alle seine Aussagen
laufen auf den zweiten Typ zu, das planisphärische Astrolab aus der
hellenistischen Spätantike, das auch im islamischen Spanien seit etwa
960 dominiert und das der Autor recht gut kennt.
Aus welchem Material es besteht, muß er hier nicht sagen. (Klobiges
Holz würde die feinen Formen und flachen Scheiben verunstalten, sich
auch leicht verziehen. Fast alle Geräte, die erhalten blieben, sind aus
Messing, somit formbar und haltbar genug, während edlere Metalle zu
teuer wären und bloß bei kostbaren Stücken in Betracht kommen.) Die
Abmessungen unseres Astrolabs darf man sich angesichts der groben
Skalenteilung nicht zu groß denken; die ältesten heute noch vorhan-
denen Exemplare aus dem islamischen Spanien haben zwischen 10 und
20 Zentimetern Durchmesser.52
Den Ekliptikpunkt der Sonne am Beobachtungstag könnte man in
einem Jahrbuch oder einer Tabelle nachschlagen, wie es Benutzer
früher islamischer Astrolabien taten. Bequemer ist es, auf der Rück-
seite des Astrolabs selbst die beiden Kalenderskalen von Sonnenjahr
und Tierkreis abzulesen, die soeben im islamischen Spanien eingefügt
worden sind. Das Fragment erwähnt sie nicht ausdrücklich, setzt sie
aber als selbstverständlich voraus. Wie bei Hermann dürfte auch auf
diesen Skalen nur jeder fünfte Tag des Jahres durch einen Strich
bezeichnet sein, im Tierkreis nur jeder fünfte Grad. Vorhanden ist die
Alhidade mit den beiden Dioptern, die bei Hermann alhidida oder
regula cum duabus pinnis erectis ad rectam lineam perforatis heißt.
Jedoch fehlt auf dem Lineal eine Strichskala für ungleiche Stunden,
eine winzige Sonnenuhr, wie sie spanisch-arabische Astrolabien bald
nach der Jahrtausendwende ziert.
Am Außenrand der Rückseite verläuft eine Skala für die Höhen-
messung der Gestirne. Sie ist, anders als bei Hermann, noch nicht in
vier Viertel aufgeteilt, deren Zählung dann jeweils bei der Horizonta-
len beginnt und in der Vertikalen bei 90 Grad endet. Auch sie wird, wie
es die frühesten Texte aus Spanien bezeugen, nur jeden fünften Grad
gekennzeichnet haben. Vom Schattenquadrat rechts unten, das diesel-
ben Anleitungen schildern so wie später Hermann, muß hier nicht die

52 Zum kugelförmigen Typ Michel, Traite S. 4 f. mit Nachtrag ebd. S. IX; Turner,
Museum S. 185-187. Zu den flachen Astrolabien, die aus dem islamischen
Spanien erhalten blieben und deren Reihe kurz vor 1030 beginnt, Gunther,
Astrolabes Bd. 1 S. 251-256; Michel, Traite S. 151 f.; Destombes, Astrolabe S.
21 f. Zu dem angeblich um 980 entstandenen Exemplar unten Anm. 76.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften