54
Arno Borst
sten und die Astronomie eines heidnischen Römers.74 Wie eine
Gegengabe für die Übersetzungen der Katalanen wirkte seine Bereit-
schaft, 986 noch einmal ins Land jenseits der Pyrenäen zu reisen, und
seine Bemühung am französischen Königshof 986 und 987 um militä-
rische Hilfe für die Grafen von Barcelona.75
Das jüngste Geschenk von dort könnte ein vor wenigen Jahren in
Frankreich aufgetauchtes Astrolab gewesen sein, eingestellt auf den
Fixsternhimmel um 980 und die geographische Breite von 41V2 Grad,
also von Barcelona. Wenn es wirklich dieser Zeit und diesem Raum
entspränge, wäre es das bei weitem älteste der uns bekannten
lateinischen Astrolabien, geradezu ihr Prototyp. In vielen Punkten
ähnelt es dem Typ, der im Konstanzer Fragment vorausgesetzt wird
und ebenfalls auf Katalonien um 980 zurückgeht. Zum Beispiel enthält
die Spinne dieses Exemplars nicht einmal 20, bloß 18 Sternmarken, die
freilich keinerlei Namen tragen (also noch in einer Tabelle mühsam
nachzuschlagen sind), während die Tierkreiszeichen des Ekliptikkrei-
ses in lateinischen Großbuchstaben erscheinen. Auf der einen Einle-
gescheibe, nicht auf der zweiten, fehlen die Richtungskreise, bei
sämtlichen Skalen die Ziffern, außerdem die astrologischen Häuser.
Auf den 15 Zentimetern Durchmesser finden nicht allzuviele Skalen,
Zahlen und Wörter Platz. Deshalb betragen die Abstände der Höhen-
kreise nicht bloß 5, sondern 6 Grade, auf der Rückseite ist jedes
Tierkreiszeichen in 6 Abschnitte zu je 5 Grad unterteilt. Daß dort die
Stundenkurven von der Vorderseite nicht wiederkehren, versteht sich,
und wenig besagt es, daß schon ein Schattenquadrat für geometrische
Nutzung vorkommt.
Befremdlicher wirkt, daß die Zusammenfassung von je 5 Graden auf
den Kreisskalen zwar fortlebt, aber überholt wird durch eine Grad für
Grad ausgeführte Feinteilung, sowohl am Rand der Vorderseite und
74 Gerbert, Briefsammlung Nr. 17 S. 40 an den Abt von Aurillac 984: De
multiplicatione et divisione numerorum libellum a loseph Ispano editum; Nr. 130
S. 157 f. an einen Mönch von Bobbio 988: fac ut mihi scribantur M. Manlius de
astrologia ... Gerbert unterschied somit (wie oben Anm. 73) nicht zwischen
Astronomie und Astrologie. Lupitus, Prolog S. 272 f. betonte ihre Differenz
nach Isidor (oben Anm. 29), ein Indiz dafür, daß der Prolog auf Gerberts Brief
Nr. 24 von 984 antwortete und ebenso diskret wie direkt den Sprachgebrauch
Gerberts korrigierte.
75 Gerbert, Briefsammlung Nr. 70 S. 101; Nr. 72 S. 103; Nr. 112 S. 140 f. Dazu
Harriet P. Lattin, The Letters of Gerbert, in: Tosi, Gerberto S. 311-329, hier S.
326; Riehe, Gerbert S. 102 f.
Arno Borst
sten und die Astronomie eines heidnischen Römers.74 Wie eine
Gegengabe für die Übersetzungen der Katalanen wirkte seine Bereit-
schaft, 986 noch einmal ins Land jenseits der Pyrenäen zu reisen, und
seine Bemühung am französischen Königshof 986 und 987 um militä-
rische Hilfe für die Grafen von Barcelona.75
Das jüngste Geschenk von dort könnte ein vor wenigen Jahren in
Frankreich aufgetauchtes Astrolab gewesen sein, eingestellt auf den
Fixsternhimmel um 980 und die geographische Breite von 41V2 Grad,
also von Barcelona. Wenn es wirklich dieser Zeit und diesem Raum
entspränge, wäre es das bei weitem älteste der uns bekannten
lateinischen Astrolabien, geradezu ihr Prototyp. In vielen Punkten
ähnelt es dem Typ, der im Konstanzer Fragment vorausgesetzt wird
und ebenfalls auf Katalonien um 980 zurückgeht. Zum Beispiel enthält
die Spinne dieses Exemplars nicht einmal 20, bloß 18 Sternmarken, die
freilich keinerlei Namen tragen (also noch in einer Tabelle mühsam
nachzuschlagen sind), während die Tierkreiszeichen des Ekliptikkrei-
ses in lateinischen Großbuchstaben erscheinen. Auf der einen Einle-
gescheibe, nicht auf der zweiten, fehlen die Richtungskreise, bei
sämtlichen Skalen die Ziffern, außerdem die astrologischen Häuser.
Auf den 15 Zentimetern Durchmesser finden nicht allzuviele Skalen,
Zahlen und Wörter Platz. Deshalb betragen die Abstände der Höhen-
kreise nicht bloß 5, sondern 6 Grade, auf der Rückseite ist jedes
Tierkreiszeichen in 6 Abschnitte zu je 5 Grad unterteilt. Daß dort die
Stundenkurven von der Vorderseite nicht wiederkehren, versteht sich,
und wenig besagt es, daß schon ein Schattenquadrat für geometrische
Nutzung vorkommt.
Befremdlicher wirkt, daß die Zusammenfassung von je 5 Graden auf
den Kreisskalen zwar fortlebt, aber überholt wird durch eine Grad für
Grad ausgeführte Feinteilung, sowohl am Rand der Vorderseite und
74 Gerbert, Briefsammlung Nr. 17 S. 40 an den Abt von Aurillac 984: De
multiplicatione et divisione numerorum libellum a loseph Ispano editum; Nr. 130
S. 157 f. an einen Mönch von Bobbio 988: fac ut mihi scribantur M. Manlius de
astrologia ... Gerbert unterschied somit (wie oben Anm. 73) nicht zwischen
Astronomie und Astrologie. Lupitus, Prolog S. 272 f. betonte ihre Differenz
nach Isidor (oben Anm. 29), ein Indiz dafür, daß der Prolog auf Gerberts Brief
Nr. 24 von 984 antwortete und ebenso diskret wie direkt den Sprachgebrauch
Gerberts korrigierte.
75 Gerbert, Briefsammlung Nr. 70 S. 101; Nr. 72 S. 103; Nr. 112 S. 140 f. Dazu
Harriet P. Lattin, The Letters of Gerbert, in: Tosi, Gerberto S. 311-329, hier S.
326; Riehe, Gerbert S. 102 f.