Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende
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Gott weder kenne noch liebe. Das aber lerne er besser, indem er
Augustin studiere.163
Brav gesprochen, veraltet gleichwohl. In den 1140er Jahren wandten
sich mehrere Abhandlungen zur Astrolabkunde gegen alle älteren
Schriften und kehrten den Fortschritt moderner Beobachtungen
hervor. Nur eines dieser Werke sei beleuchtet; ein Raimund von
Marseille, dessen Bildungsweg wir nicht kennen und der ein anspruchs-
volles Latein schrieb, verfaßte es 1141 oder später. Ptolemaios, huius
repertor instrumenti, hatte für die Konstruktion des Geräts seine
Berechnung der Sternpositionen verwendet, und sie verschoben sich im
Laufe der Zeit, was seinem Astrolab schließlich mehr als acht Grad
Abweichung eintrug. Doch Azarchel qui modernus/zzz? beseitigte diese
Fehler mit seinen toledanischen Sterntafeln vor zwei Generationen.
Jetzt können wir exaktere Astrolabien als die antiquata der Früheren
bauen, möglichst große, damit auf den Skalen die heutzutage unerläß-
liche Feingliederung der Grade in Minuten Platz finde. Tatsächlich
begannen die Abmessungen der Astrolabien seitdem zu wachsen.
Raimunds Konstruktionsbeschreibung folgte in Gliederung und
Wortschatz noch den Anleitungen der Alten, auch Hermanns, und
übernahm bei der Projektion des Tierkreises ihren Fehler. Dennoch
nannte der Provenzale keinen christlichen Vorgänger und beteuerte,
niemand habe bislang die Zusammensetzung des Astrolabs deutlich
beschrieben. Im Kern war sein Fortschrittsglaube berechtigt, obwohl er
eine radikalere Neuerung Azarquiels ignorierte, ein nicht mehr vom
Standort des Herstellers abhängiges Universal-Astrolab. Schon Azar-
quiels korrigierte Himmelskoordinaten für die Astrolabsterne bedeu-
teten eine erhebliche Präzisierung, wie ihr tabellarischer Vergleich mit
den ptolemäischen Werten schlagend erwies. Die Wahrheit des neuen
Instruments strafte das alte Buchwissen Lügen. Auch für die Landver-
messung war das Astrolab so vorzüglich geeignet, wie Hugo von St.
Victor vermutet hatte; Raimunds Gebrauchsanweisung schenkte der
geometrischen Nutzung nicht weniger Beachtung als der komputisti-
schen.
Die Perfektionierung des Astrolabs hatte indes eine bedenkliche
Folge, der Raimund nach den Einwänden Abaelards nicht ausweichen
163 Epistola 167, hg. von Philipp Jaffe, Monumenta Corbeiensia (Bibliotheca rerum
Germanicarum Bd. 1, 1864) S. 278 Hugo, S. 282 f. Astrolab. Dazu Franz-Josef
Jakobi, Wibald von Stablo und Corvey 1098-1158. Benediktinischer Abt in der
frühen Stauferzeit (1979) S. 40 f., 267-274.
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Gott weder kenne noch liebe. Das aber lerne er besser, indem er
Augustin studiere.163
Brav gesprochen, veraltet gleichwohl. In den 1140er Jahren wandten
sich mehrere Abhandlungen zur Astrolabkunde gegen alle älteren
Schriften und kehrten den Fortschritt moderner Beobachtungen
hervor. Nur eines dieser Werke sei beleuchtet; ein Raimund von
Marseille, dessen Bildungsweg wir nicht kennen und der ein anspruchs-
volles Latein schrieb, verfaßte es 1141 oder später. Ptolemaios, huius
repertor instrumenti, hatte für die Konstruktion des Geräts seine
Berechnung der Sternpositionen verwendet, und sie verschoben sich im
Laufe der Zeit, was seinem Astrolab schließlich mehr als acht Grad
Abweichung eintrug. Doch Azarchel qui modernus/zzz? beseitigte diese
Fehler mit seinen toledanischen Sterntafeln vor zwei Generationen.
Jetzt können wir exaktere Astrolabien als die antiquata der Früheren
bauen, möglichst große, damit auf den Skalen die heutzutage unerläß-
liche Feingliederung der Grade in Minuten Platz finde. Tatsächlich
begannen die Abmessungen der Astrolabien seitdem zu wachsen.
Raimunds Konstruktionsbeschreibung folgte in Gliederung und
Wortschatz noch den Anleitungen der Alten, auch Hermanns, und
übernahm bei der Projektion des Tierkreises ihren Fehler. Dennoch
nannte der Provenzale keinen christlichen Vorgänger und beteuerte,
niemand habe bislang die Zusammensetzung des Astrolabs deutlich
beschrieben. Im Kern war sein Fortschrittsglaube berechtigt, obwohl er
eine radikalere Neuerung Azarquiels ignorierte, ein nicht mehr vom
Standort des Herstellers abhängiges Universal-Astrolab. Schon Azar-
quiels korrigierte Himmelskoordinaten für die Astrolabsterne bedeu-
teten eine erhebliche Präzisierung, wie ihr tabellarischer Vergleich mit
den ptolemäischen Werten schlagend erwies. Die Wahrheit des neuen
Instruments strafte das alte Buchwissen Lügen. Auch für die Landver-
messung war das Astrolab so vorzüglich geeignet, wie Hugo von St.
Victor vermutet hatte; Raimunds Gebrauchsanweisung schenkte der
geometrischen Nutzung nicht weniger Beachtung als der komputisti-
schen.
Die Perfektionierung des Astrolabs hatte indes eine bedenkliche
Folge, der Raimund nach den Einwänden Abaelards nicht ausweichen
163 Epistola 167, hg. von Philipp Jaffe, Monumenta Corbeiensia (Bibliotheca rerum
Germanicarum Bd. 1, 1864) S. 278 Hugo, S. 282 f. Astrolab. Dazu Franz-Josef
Jakobi, Wibald von Stablo und Corvey 1098-1158. Benediktinischer Abt in der
frühen Stauferzeit (1979) S. 40 f., 267-274.