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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0104
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Arno Borst

der Papstkirche, als wäre sie die Wissenschaft Azarquiels von Toledo
und Raimunds von Marseille.171
Ob das Astrolab nach dieser Säkularisierung wenigstens für die
Laien noch die Einheit des mittelalterlichen Weltbilds verkörpern
konnte?

12. Säkularisierung des Astrolabs im 13. Jahrhundert
Die erste Staatsaktion mit dem Astrolab wurde von dem staufischen
Kaiser Friedrich II. angeordnet, wie wenn er seinem päpstlichen
Todfeind hätte beweisen wollen, daß Weltraum und Weltzeit jetzt dem
Kaiser gehorchten. Davon erzählte ein italienischer Chronist, der
Notar Rolandin von Padua, der an der Universität seiner Vaterstadt
Grammatik und Rhetorik lehrte. Der Jurist repräsentierte ein Bürger-
tum, das sich ebenfalls immer weniger auf die göttliche Vorsehung
verließ und politische Weisungen immer öfter bei Sterndeutern
erfragte. Nach Rolandins Bericht eröffnete der Kaiser Ende Mai 1239
von Padua aus einen Feldzug gegen Treviso und machte den Aufbruch
des Heeres von der Stellung der Planeten im Tierkreis abhängig.
Nachprüfen sollte sie der kaiserliche astrologus Magister Theodor,
ein Grieche oder Jude, den der ägyptische Sultan dem Staufer vor
wenigen Jahren zugeschickt hatte. Theodor bestieg den Stadtturm cum
astrolabio, konnte aber, weil der Himmel bedeckt war, nichts messen
und phantasierte sich eine siegverheißende Konstellation Jupiters und
des Löwen zusammen, zum Spott des Chronisten: In Wahrheit traf die
Jungfrau auf den giftigen Skorpion, das verhieß Unheil. Der Magister
sah mit dem Astrolab auch die Sonnenfinsternis nicht voraus, die acht
Tage danach eintrat. Dem Kaiser diente sie als Vorwand zum Abbruch
des Krieges, obwohl Friedrich ihren natürlichen Grund so gut kannte
wie Rolandin und die Universitätskollegen, die seine Chronik 1262

171 Decretales Gregorii IX., V, 21,2, hg. von Emil Friedberg, Corpus iuris canonici,
Bd. 2 (1879) Sp. 822 f. der Fall. Raimund von Penafort. Summa de paenitentia I,
11,5, hg. von Xaverio Ochoa und Aloisio Diez (1976) Sp. 392 die Auswertung.
Beide Abschnitte wurden übernommen durch Vincenz von Beauvais, Speculum
doctrinale IX, 124 (Speculum maius Bd. 2, 1624) Sp. 854 f. Zum kirchenrecht-
lichen Hintergrund Borst, Computus S. 43 f.
 
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