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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0109
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Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende

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auch bei nicht scholastisch Geschulten, die ihre Zeit zu nutzen
wünschten. Der toledanische Astronom Azarquiel hatte schon um 1070
außer den ptolemäischen Sterntafeln die Konstruktion des Astrolabs
beträchtlich verbessert; sein Universal-Astrolab war, unabhängig vom
Breitengrad, überall in der nördlichen Hemisphäre verwendbar.
Zweihundert Jahre danach sorgte König Alfons der Weise von
Kastilien für volkssprachliche Versionen, die diese Errungenschaft den
Zirkeln der Gebildeten zugänglich machten. Gleichzeitig, im Zenit
scholastischer und mystischer Theologie, verzichteten die Gemeinden
der Frommen auf objektive Zählung und Messung der Zeit, weil sie
ihnen keinen dauernden Halt im Jenseits versprach. Bald darauf, seit
dem frühen 14. Jahrhundert, verdrängte die Erfindung der Räderuhr
alle älteren Zeitanzeiger und zerstückelte den Arbeitstakt der profanen
Verbände wie ihr Geschichtsbild.179
Wieviele Winkel in diesem expandierenden Universum stimmten
danach noch mit denen auf dem planisphärischen Astrolab überein?
13. Entwertung des Astrolabs seit dem 14. Jahrhundert
Die Verschiebungen des 14. Jahrhunderts zerrissen in ganz Europa
auch bei den Laien wie zuvor bei den Gelehrten die Bande zwischen
religiöser Kosmologie, astronomischer Beobachtung, arithmetischer
Zeitrechnung und historischen Lebensrhythmen, die von den Refor-
mern um die Jahrtausendwende geknüpft worden waren. Das Astrolab
taugte nicht mehr zum Sinnbild für die göttliche Ordnung von Zeit und
Raum und für ihre menschliche Durchdringung im ganzen. Sogleich
begannen Empiriker das Instrument mit der Lupe zu untersuchen, vor
allem seine bislang stets behauptete, nie bewiesene Präzision zu
bestreiten.
Der Florentiner Jurist und Philologe Filippo Villani nahm 1382 in
den Katalog seiner berühmten Landsleute den 1365 oder später

179 Zum Universal-Astrolab Michel. Traite S. 93-103; David A. King, On the Early
History of the Universal Astrolabe in Islamic Astronomy and the Origin of the
Term ‘Shakkäzlya’ in Medieval Scientific Arabic (zuerst 1979), jetzt in: King,
Instruments S. VII244-257. Zum lateinischen Echo Schramm, Sphaira S. 108 f.;
Zinner, Instrumente S. 145-149; Kunitzsch, Glossar S. 489-491, 498 f. Zu den
Auswirkungen auf den Instrumentenbau Turner, Museum S. 151-183; Bennett,
Circle S. 19-26, auf Zeitrechnung und Zeitmessung Borst, Computus S.
49-65.
 
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