Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende
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mit dem Astrolab zu erkunden. Allerdings konnte kein Europäer die
Angebote des edlen Instruments ausschöpfen, denn die Lateiner
kannten sie nur aus fremden Sprachen und Schriften, von Griechen,
Arabern und Juden. Zudem konnte kein Laie mit einem so kleinen
Gerät so exakt arbeiten wie ein Astrologe mit umfangreichen Tabellen;
Villani hinterließ Spuren. Dennoch verschaffte das Astrolab auch
einem Stadtbürger in England das stolze Gefühl, seine alltägliche
Situation annähernd zu überschauen. Er kontrollierte die stündlichen
Glockenschläge der Kirchturmsuhr, verifizierte den Kalender des
katholischen Kirchenjahrs und des bürgerlichen Sonnenjahrs, fixierte
seinen Standort und die Himmelsrichtungen, auf dem Land und
vielleicht auch zur See.181
Im 15. Jahrhundert verstärkten sich zunächst beide Tendenzen.
Einerseits wurde das Astrolab zum Hilfsmittel der rechnenden Astro-
logie, deren Theorie sich nun sogar akademisch etablierte, hauptsäch-
lich als Propädeutik für künftige Mediziner. Die Statuten der Univer-
sität Bologna gründeten 1405 das Studium des Quadriviums auf
arabische Arithmetik, euklidische Geometrie, toledanische Astrono-
mie und ptolemäische Sterndeutung. Den Lehrplan zierte außerdem
der Astrolab-Traktat des angeblichen Messahalla, der zur astrologi-
schen Voraussage, nicht zur Zeitmessung anleiten sollte. Auch an der
Universität Heidelberg wollte Matthias von Kemnat das Astrolab bei
prognostischen, nicht mehr bei komputistischen Übungen erläutern,
als er um 1460 eine naturkundliche Lehrveranstaltung plante.182
181 A Treatise on the Astrolabe, hg. von Fred N. Robinson, The Works of Geoffrey
Chaucer (21957), hier Prologue S. 545 f. Lateiner und Laien; II, 4 S. 551
heidnische Riten; I, 21 S. 546 Einfluß der Planeten; II, 3 S. 551 Glockenschlag; I,
10-11 S. 547 Kalenderjahr; II, 23 S. 555 Standort; II, 29 S. 557 Himmelsrich-
tungen. Dazu für alle astronomischen und astrologischen Fragen des Traktats
erschöpfend John D. North, Chaucer’s Universe (1988) S. 38-86, wichtig auch
die minutiöse Rekonstruktion der fehlenden Teile S. 87-259. Zur historischen
Einordnung Turner, Museum S. 33-40; Borst, Computus S. 61 f.
182 Zu Bologna Lynn Thorndike, University Life and Records (zuerst 1944,31975)
S. 279-282. Zu Kemnat: Bibliotheca Palatina. Ausstellung der Universität
Heidelberg in Zusammenarbeit mit der Bibliotheca Apostolica Vaticana, hg.
von Elmar Mittler, Textband (1986) S. 26-29; Bildband S. 14, ohne Verweis auf
das Bologneser Vorbild. Zum zeitgenössischen Hintergrund John D. North,
Astrologie, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1 (1980) Sp. 1137-1143. Zu den
kunsthistorischen Reflexen, u. a. in Jan van Eycks Hieronymusbild, Schramm,
Sphaira S. 109-111, 162 mit Abb. 115.
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mit dem Astrolab zu erkunden. Allerdings konnte kein Europäer die
Angebote des edlen Instruments ausschöpfen, denn die Lateiner
kannten sie nur aus fremden Sprachen und Schriften, von Griechen,
Arabern und Juden. Zudem konnte kein Laie mit einem so kleinen
Gerät so exakt arbeiten wie ein Astrologe mit umfangreichen Tabellen;
Villani hinterließ Spuren. Dennoch verschaffte das Astrolab auch
einem Stadtbürger in England das stolze Gefühl, seine alltägliche
Situation annähernd zu überschauen. Er kontrollierte die stündlichen
Glockenschläge der Kirchturmsuhr, verifizierte den Kalender des
katholischen Kirchenjahrs und des bürgerlichen Sonnenjahrs, fixierte
seinen Standort und die Himmelsrichtungen, auf dem Land und
vielleicht auch zur See.181
Im 15. Jahrhundert verstärkten sich zunächst beide Tendenzen.
Einerseits wurde das Astrolab zum Hilfsmittel der rechnenden Astro-
logie, deren Theorie sich nun sogar akademisch etablierte, hauptsäch-
lich als Propädeutik für künftige Mediziner. Die Statuten der Univer-
sität Bologna gründeten 1405 das Studium des Quadriviums auf
arabische Arithmetik, euklidische Geometrie, toledanische Astrono-
mie und ptolemäische Sterndeutung. Den Lehrplan zierte außerdem
der Astrolab-Traktat des angeblichen Messahalla, der zur astrologi-
schen Voraussage, nicht zur Zeitmessung anleiten sollte. Auch an der
Universität Heidelberg wollte Matthias von Kemnat das Astrolab bei
prognostischen, nicht mehr bei komputistischen Übungen erläutern,
als er um 1460 eine naturkundliche Lehrveranstaltung plante.182
181 A Treatise on the Astrolabe, hg. von Fred N. Robinson, The Works of Geoffrey
Chaucer (21957), hier Prologue S. 545 f. Lateiner und Laien; II, 4 S. 551
heidnische Riten; I, 21 S. 546 Einfluß der Planeten; II, 3 S. 551 Glockenschlag; I,
10-11 S. 547 Kalenderjahr; II, 23 S. 555 Standort; II, 29 S. 557 Himmelsrich-
tungen. Dazu für alle astronomischen und astrologischen Fragen des Traktats
erschöpfend John D. North, Chaucer’s Universe (1988) S. 38-86, wichtig auch
die minutiöse Rekonstruktion der fehlenden Teile S. 87-259. Zur historischen
Einordnung Turner, Museum S. 33-40; Borst, Computus S. 61 f.
182 Zu Bologna Lynn Thorndike, University Life and Records (zuerst 1944,31975)
S. 279-282. Zu Kemnat: Bibliotheca Palatina. Ausstellung der Universität
Heidelberg in Zusammenarbeit mit der Bibliotheca Apostolica Vaticana, hg.
von Elmar Mittler, Textband (1986) S. 26-29; Bildband S. 14, ohne Verweis auf
das Bologneser Vorbild. Zum zeitgenössischen Hintergrund John D. North,
Astrologie, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1 (1980) Sp. 1137-1143. Zu den
kunsthistorischen Reflexen, u. a. in Jan van Eycks Hieronymusbild, Schramm,
Sphaira S. 109-111, 162 mit Abb. 115.