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Jayme, Erik; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1994, 1. Abhandlung): "Entartete Kunst" und internationales Privatrecht: vorgetragen am 6. November 1993 — Heidelberg: Winter, 1994

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https://doi.org/10.11588/diglit.48170#0033
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Entartete Kunst

23

Das nationale Recht des Eigentümers rückte in den Vordergrund;
die Ausnahme betraf zwingende Verbotsgesetze der lex rei sitae73.
Ursprünglich war wohl nur an Sonderbestimmungen für einzelne
Gegenstände gedacht.74 In erster Linie entschied also nach italieni-
schem internationalen Privatrecht die Staatsangehörigkeit des
Eigentümers über dingliche Rechte an beweglichen Sachen.
4. Ludwig von Bar: Der Sieg der Verkehrsinteressen
Der Lösung, daß es auf das Heimatrecht des Eigentümers ankom-
men solle, widersprach Ludwig von Bar 1889 und wandte sich gegen
eine solche „Personifikation“ von Sachen.75 Sie führe zu einer allge-
meinen Verwirrung. Entscheidend wurde die Sicherheit des Rechts-
verkehrs. Damit rückte der Erwerber in den Vordergrund; den
Eigentümer verlor man aus den Augen.
Die Humanität des Savignyschen Gedankens, daß nämlich die
freiwillige Unterwerfung der Person unter das jeweilige Recht am
Lageort die Anwendung dieses Rechts rechtfertige, wich der Bruta-
lität der Erfordernisse des Handelsverkehrs. Im übrigen liegt die
Schwäche dieser Lösung auf der Hand: Das anwendbare Recht
wechselt mit jeder Änderung des Lageorts.
Würde man heute Mancini folgen, so unterstünden die Eigen-
tumsverhältnisse an Klee’s „Sumpflegende“ dem russischen, nicht
dem deutschen Recht, da Eigentümerin des Bildes eine Russin war.
Auf die Einziehung durch die Nationalsozialisten käme es nicht an.
Man kann hier einen Moment innehalten und sich bewußt
machen, daß selbst noch heute, im Jahre 1993, das internationale
Sachenrecht in Deutschland nicht kodifiziert ist76, also auf Gewohn-
heitsrecht beruht, dessen Grundlage das 19. Jahrhundert legte.

73 Wie z.B. das Verbot der Verpfändung bei gewissen Sachen, vgl. Foschini, I motivi
del Codice Civile del Regno d’Italia, 2. Auf], Neapel 1883, S.114.
74 Vgl. den Gesetzentwurf Mancini’s (Art. 4 Abs. 1) bei Jayme, Pasquale Stanislao
Mancini, Internationales Privatrecht zwischen Risorgimento und praktischer
Jurisprudenz 1980, S.57,59 („rispetto a determinate specie di mobili“); vgl. auch
Art. 28 EGBGB (1896) und Art. 3 Abs. 3 EGBGB (1986).
75 L[udwig] v[on] Bar, Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts, 2.
Aufl., Bd.l, Hannover 1889, S.608 (mit einer Ausnahme bei „Seeschiffen und
größeren Flußschiffen“).
76 Zu den Reformvorschlägen vgl. Kropholler, Internationales Privatrecht 1990,
 
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