5
10
15
20
25
30
deutsche nation inn christlicher religion (1545)
343
»Wolgelerter ¹ man, deinen brieue hab ich empfangen vnd dem grosthetigen
herren Cantzler ² gezeiget vnd jm vil grus von dir gesaget. Jch wolte aber, das
dein eigenschafft were, das du vnserem Clero vnnd volck möchtest angeneme
sein vnnd gefallen. Nun da sich die sachen hie anders halten, ist nit, das du mir
das zu messest. Die herrlicheit Christi vnd fürtbringen seines Reichs ist auch
mir, als ich hoff, angelegen, welches ich vileicht mit der that vor billichen ³
richtern möchte erweisen, vnd das werck selb solle es war machen. Jch wolte
aber in der sachen Christi nit also anhalten, das ich sie, in dem ich sie forderen
wolte, mehr verhinderte, dann du weist, das der eifer solle mit verstandt sein.
Hettestu mich von deiner zukunfft ⁴ vnd dienst, den du hast angenommen,
ehe du herkommen, rhats gefraget oder etwas dauon angezeiget, so wolte ich |
109/Oiija | dich hinwider von vilen dingen erinneret ⁵ haben. Nun haltet sichs
anders. Aber wie jm sei, so wolt ich, das du mich nicht verdechtest, das ich
durch die welt so gar solte verleckeret ⁶ sein, das ich gentzlich fliehen wolte,
das creutz, wans die sache also erforderet vnnd ich frucht, die der sachen ge-
meß were, schaffen köndte, dem Herren mit allen gottseligen nachzutragen.
Bißhär redt man mir ⁷ zu beiden theilen nit wol, fellet mich an mit schwerem
onrechten, ich würde schwerlich gelestert vnd in gefahr gesetzet. Jch dancke
aber meinem Gott, das er mir doch ein sollich stücklin des glaubens aus seiner
mildten gaben hat verluhen, das ich des halben nit bewegt werde, vnd bitte
Christum, er wölle mir disen glauben mehren.
Dich bitt ich, wöllest von mir vrtheilen, als der in dem vorhaben, in dem ich
bin, will durch die gnad Gottes dapffer ¹⁰ fürt faren vnnd verharren, als lang
mirs durch andere gantz wichtige geschefft gepüren mage ¹¹ , vnd meine mitgenossen,
die mir darinn zugeordnet seind vnnd alle, die ich kan, darzu fleissig
vermanen, biß ich mit Gottes willen dir vnd allen gotseligen, frommen
männern beweise, das ich doch gern gesehen hette, das Christlichem handel
wolgerahten würde. Der ausgang ist in dessen hand, in welchem dich wol gehabe,
gelerter man. Auß Cöllen den sibenden Jenners Anno 1543.«
Diss ist sein letstes schreiben an mich, darinnen du des scheltens vnd ver-
werffens, des er sich hernaher vnd in seinem schreiben ¹² wider mich mit nich-
1. Es folgt eine vollständige deutsche Übersetzung des lateinischen Briefes von Johannes
Gropper an Bucer vom 7. Januar 1543.
2. s. oben S.317, Anm.11 und S.342, Anm.3.
3. gerechten.
4. Ankunft.
5. über vieles unterrichtet haben.
6. weichlich gemacht, begierig gemacht, verwöhnt. Grimm 25 (=XII,1), Sp. 755; Götze,
S.79.
7. spricht man über mich.
8. Bedecken, Verheimlichen.
9. Ergehen, Fortgang.
10. beharrlich.
11. solange mich keine anderen wichtigen Geschäfte davon abhalten.
12. Johannes Gropper, »Antwort und gegenberichtung« (s. oben S.265, Anm.9).
Aber nit mit solchem,
das man der
welt ehr, gunst
vnd gut mit dem
reich Christi
behalte.
Das sicht man nun
wol.
Dis vorhaben war
ein bedecken ⁷ von
der reformation
jrgen ⁸ .
Das hat man nun
ins dritte jar wol
erfaren.
10
15
20
25
30
deutsche nation inn christlicher religion (1545)
343
»Wolgelerter ¹ man, deinen brieue hab ich empfangen vnd dem grosthetigen
herren Cantzler ² gezeiget vnd jm vil grus von dir gesaget. Jch wolte aber, das
dein eigenschafft were, das du vnserem Clero vnnd volck möchtest angeneme
sein vnnd gefallen. Nun da sich die sachen hie anders halten, ist nit, das du mir
das zu messest. Die herrlicheit Christi vnd fürtbringen seines Reichs ist auch
mir, als ich hoff, angelegen, welches ich vileicht mit der that vor billichen ³
richtern möchte erweisen, vnd das werck selb solle es war machen. Jch wolte
aber in der sachen Christi nit also anhalten, das ich sie, in dem ich sie forderen
wolte, mehr verhinderte, dann du weist, das der eifer solle mit verstandt sein.
Hettestu mich von deiner zukunfft ⁴ vnd dienst, den du hast angenommen,
ehe du herkommen, rhats gefraget oder etwas dauon angezeiget, so wolte ich |
109/Oiija | dich hinwider von vilen dingen erinneret ⁵ haben. Nun haltet sichs
anders. Aber wie jm sei, so wolt ich, das du mich nicht verdechtest, das ich
durch die welt so gar solte verleckeret ⁶ sein, das ich gentzlich fliehen wolte,
das creutz, wans die sache also erforderet vnnd ich frucht, die der sachen ge-
meß were, schaffen köndte, dem Herren mit allen gottseligen nachzutragen.
Bißhär redt man mir ⁷ zu beiden theilen nit wol, fellet mich an mit schwerem
onrechten, ich würde schwerlich gelestert vnd in gefahr gesetzet. Jch dancke
aber meinem Gott, das er mir doch ein sollich stücklin des glaubens aus seiner
mildten gaben hat verluhen, das ich des halben nit bewegt werde, vnd bitte
Christum, er wölle mir disen glauben mehren.
Dich bitt ich, wöllest von mir vrtheilen, als der in dem vorhaben, in dem ich
bin, will durch die gnad Gottes dapffer ¹⁰ fürt faren vnnd verharren, als lang
mirs durch andere gantz wichtige geschefft gepüren mage ¹¹ , vnd meine mitgenossen,
die mir darinn zugeordnet seind vnnd alle, die ich kan, darzu fleissig
vermanen, biß ich mit Gottes willen dir vnd allen gotseligen, frommen
männern beweise, das ich doch gern gesehen hette, das Christlichem handel
wolgerahten würde. Der ausgang ist in dessen hand, in welchem dich wol gehabe,
gelerter man. Auß Cöllen den sibenden Jenners Anno 1543.«
Diss ist sein letstes schreiben an mich, darinnen du des scheltens vnd ver-
werffens, des er sich hernaher vnd in seinem schreiben ¹² wider mich mit nich-
1. Es folgt eine vollständige deutsche Übersetzung des lateinischen Briefes von Johannes
Gropper an Bucer vom 7. Januar 1543.
2. s. oben S.317, Anm.11 und S.342, Anm.3.
3. gerechten.
4. Ankunft.
5. über vieles unterrichtet haben.
6. weichlich gemacht, begierig gemacht, verwöhnt. Grimm 25 (=XII,1), Sp. 755; Götze,
S.79.
7. spricht man über mich.
8. Bedecken, Verheimlichen.
9. Ergehen, Fortgang.
10. beharrlich.
11. solange mich keine anderen wichtigen Geschäfte davon abhalten.
12. Johannes Gropper, »Antwort und gegenberichtung« (s. oben S.265, Anm.9).
Aber nit mit solchem,
das man der
welt ehr, gunst
vnd gut mit dem
reich Christi
behalte.
Das sicht man nun
wol.
Dis vorhaben war
ein bedecken ⁷ von
der reformation
jrgen ⁸ .
Das hat man nun
ins dritte jar wol
erfaren.