wieder Friedhofs- und Kircheninschriften, ein (Nr. 57, 71, 89, 91, 92, 97, 101). Dieser merkwürdige
Ablauf mag in Einzelheiten zufällig sein, im ganzen spricht er zunächst nur die bekannte Tatsache
aus, daß der Kirchenbau am Ausgang des Mittelalters stark zurückging und erst in der Zeit der
Gegenreformation wieder auflebte.
Es versteht sich, daß der kirchliche oder weltliche Zweck des Gebäudes auch den Inhalt der In-
schrift weitgehend bedingt. Berichte von einer Meßstiftung (Nr. 1) oder einer Weihe (Nr. 6) haben
nur an einer Kirche den rechten Platz, Neidsprüche (Nr. 47) dagegen nur am Haus eines reichen
Bürgers. In kirchlichen Inschriften wird gern gesagt, daß der Bau „zur Ehre Gottes“ oder „als
dauerndes Denkmal der größten Verehrung für das höchste Wesen und zum ewigen Gedenken
der Heiligen“ errichtet wurde (Nr. 5 u. 71). Eine Kirche oder Kapelle will mehr sein als ein Nutz-
bau, und manchmal ist es, als spreche sie selbst zu Gott und seinen Heiligen: eine Friedhofskapelle
ruft Gott mit der Bitte an, den Seelen der Abgeschiedenen zu helfen (Nr. 17), und ein Schriftband
in einem Marienchor sagt ein kurzes Gebet an die Mutter Gottes auf (Nr. 20). Einmal redet ein
Beinhaus auch die vorübergehenden Menschen an, das Ende des Lebens nicht zu vergessen (Nr. 18).
In den meisten Inschriften freilich spricht Mensch zu Mensch, in einigen auch der Mensch zu Gott.
Im Untergeschoß einer Kapelle ist eine Bitte um göttlichen Beistand zur Vollendung des Werkes
eingemeißelt (Nr. 14), an einer anderen Kapelle und einer Kirche wird Gott gebeten, allen Helfern
und Stiftern die ewige Seligkeit zu geben (Nr. 16). Schließlich begehren die Erbauer einer Kapelle
— es sind allerdings zwei Bischöfe — einmal auch nur den Lohn, „daß Gott die Andacht wolle ver-
mehren“ (Nr. 91).
Doch nicht alle Inschriften an Kirchen und Kapellen sind rein religiösen Inhalts, namentlich nicht
in älterer Zeit. Viele berichten von der Grundsteinlegung, von Baubeginn und -Vollendung (Nr. 3,
5, 7) in einer ganz nüchternen Art, wie sie auch von jedem anderen Gebäude erwartet werden
kann. Flinzu kommen in Wertheim Angaben über Preise von Korn und Wein, die man an dieser
Stelle wohl kaum vermutet (Nr. 9, 10, 13). Sie scheinen an den späteren Häusern der Bürger, die
mit Frucht- und Weinhandel reich wurden (Nr. 52), mehr am Platze zu sein. Doch steht Wertheim
damit nicht allein; auch andernorts finden sich an alten Kirchen die verschiedensten Dinge ver-
merkt wie in einer öffentlichen, allen aufgeschlagenen Chronik. Solche Inschriften zeigen auf eine
anschauliche Weise, mit welcher Selbstverständlichkeit zu jener Zeit die Kirche im Mittelpunkt alles
Lebens stand. Die übliche Scheidung in kirchliche und weltliche Denkmäler ist darum den in-
schriftlichen Äußerungen des Mittelalters wenig angemessen, denn sie übersieht die wahren Kräfte,
die am Werk sind.
Sie trifft aber auch auf das bürgerliche 16. Jahrhundert nur in einem äußerlichen Sinne zu, da
ebensowenig wie die kirchlichen Inschriften durchweg religiösen Inhalts die weltlichen durchaus
weltlicher Gesinnung sind. Ein Bibelspruch an einem Bürgerhaus oder einer Stadtmauer ist keine
Seltenheit (Nr. 44, 49, 68f.), und ähnlich klingende gebetsmäßige Sprüche finden sich nicht weni-
ger häufig (z. B. Nr. 77 u. 78). Und wie an einem kirchlichen Gebäude begegnet an einem welt-
lichen die Bitte um göttlichen Beistand zur Vollendung des begonnenen Werkes (Nr. 59). Oft wird
auch Gottes Mithilfe dankend hervorgehoben (z. B. Nr. 50) und für den fertiggestellten Bau um
seinen Schutz gebeten (Nr. 42). Sogar die Mahnung an den Tod hat an Bürgerhäusern Ausdruck
gefunden (Nr. 38 u. 43).
Und mit der gleichen Unbekümmertheit, mit der früher Korn- und Weinpreise an Kirchen ver-
ewigt wurden, nennt man sie nun im Zusammenhang mit religiösen Sprüchen (z. B. Nr. 52).
Diese Art chronikalischer Aufzeichnung war im 16. Jahrhundert in Wertheim besonders beliebt.
Sie findet sich nicht nur an den meisten Bürgerhäusern jener Zeit, sondern auch an den öffent-
lichen Bauten: dem Engelbrunnen (Nr. 45) und der Münze (Nr. 63). Auch in Dertingen hat sich
eine derartige Inschrift erhalten mit der gleichen charakteristischen Verbindung von allerlei Nach-
richten mit religiösen Sprüchen, die gerade so gut in mittelalterlichen kirchlichen Inschriften
stehen könnten (Nr. 54).
Es lohnt sich die verschiedenen Preisangaben einmal übersichtlich zusammenzustellen. Es galten
im Jahre
1445 das Fuder Wein
1447 das Fuder Wein
1472 das Fuder Wein
1558 das Fuder Wein
1573 das Fuder Wein
1574 das Fuder Wein
1574 das Fuder Wein
1 Gulden und das Malter Korn 1/2
20 Gulden und das Malter Korn 1
2 Gulden und das Malter Korn 1/2
31 Gulden und das Malter Korn 1
50 Gulden und das Malter Korn 5
68 Gulden und das Malter Korn 6
70 Gulden und das Malter Korn 6V2
Gulden in Nr. 9
Gulden in Nr. 10
Gulden in
Gulden in
Gulden in
Gulden in
Gulden in
Nr. 13
Nr. 35
Nr. 41
Nr. 44
Nr. 45
6
Ablauf mag in Einzelheiten zufällig sein, im ganzen spricht er zunächst nur die bekannte Tatsache
aus, daß der Kirchenbau am Ausgang des Mittelalters stark zurückging und erst in der Zeit der
Gegenreformation wieder auflebte.
Es versteht sich, daß der kirchliche oder weltliche Zweck des Gebäudes auch den Inhalt der In-
schrift weitgehend bedingt. Berichte von einer Meßstiftung (Nr. 1) oder einer Weihe (Nr. 6) haben
nur an einer Kirche den rechten Platz, Neidsprüche (Nr. 47) dagegen nur am Haus eines reichen
Bürgers. In kirchlichen Inschriften wird gern gesagt, daß der Bau „zur Ehre Gottes“ oder „als
dauerndes Denkmal der größten Verehrung für das höchste Wesen und zum ewigen Gedenken
der Heiligen“ errichtet wurde (Nr. 5 u. 71). Eine Kirche oder Kapelle will mehr sein als ein Nutz-
bau, und manchmal ist es, als spreche sie selbst zu Gott und seinen Heiligen: eine Friedhofskapelle
ruft Gott mit der Bitte an, den Seelen der Abgeschiedenen zu helfen (Nr. 17), und ein Schriftband
in einem Marienchor sagt ein kurzes Gebet an die Mutter Gottes auf (Nr. 20). Einmal redet ein
Beinhaus auch die vorübergehenden Menschen an, das Ende des Lebens nicht zu vergessen (Nr. 18).
In den meisten Inschriften freilich spricht Mensch zu Mensch, in einigen auch der Mensch zu Gott.
Im Untergeschoß einer Kapelle ist eine Bitte um göttlichen Beistand zur Vollendung des Werkes
eingemeißelt (Nr. 14), an einer anderen Kapelle und einer Kirche wird Gott gebeten, allen Helfern
und Stiftern die ewige Seligkeit zu geben (Nr. 16). Schließlich begehren die Erbauer einer Kapelle
— es sind allerdings zwei Bischöfe — einmal auch nur den Lohn, „daß Gott die Andacht wolle ver-
mehren“ (Nr. 91).
Doch nicht alle Inschriften an Kirchen und Kapellen sind rein religiösen Inhalts, namentlich nicht
in älterer Zeit. Viele berichten von der Grundsteinlegung, von Baubeginn und -Vollendung (Nr. 3,
5, 7) in einer ganz nüchternen Art, wie sie auch von jedem anderen Gebäude erwartet werden
kann. Flinzu kommen in Wertheim Angaben über Preise von Korn und Wein, die man an dieser
Stelle wohl kaum vermutet (Nr. 9, 10, 13). Sie scheinen an den späteren Häusern der Bürger, die
mit Frucht- und Weinhandel reich wurden (Nr. 52), mehr am Platze zu sein. Doch steht Wertheim
damit nicht allein; auch andernorts finden sich an alten Kirchen die verschiedensten Dinge ver-
merkt wie in einer öffentlichen, allen aufgeschlagenen Chronik. Solche Inschriften zeigen auf eine
anschauliche Weise, mit welcher Selbstverständlichkeit zu jener Zeit die Kirche im Mittelpunkt alles
Lebens stand. Die übliche Scheidung in kirchliche und weltliche Denkmäler ist darum den in-
schriftlichen Äußerungen des Mittelalters wenig angemessen, denn sie übersieht die wahren Kräfte,
die am Werk sind.
Sie trifft aber auch auf das bürgerliche 16. Jahrhundert nur in einem äußerlichen Sinne zu, da
ebensowenig wie die kirchlichen Inschriften durchweg religiösen Inhalts die weltlichen durchaus
weltlicher Gesinnung sind. Ein Bibelspruch an einem Bürgerhaus oder einer Stadtmauer ist keine
Seltenheit (Nr. 44, 49, 68f.), und ähnlich klingende gebetsmäßige Sprüche finden sich nicht weni-
ger häufig (z. B. Nr. 77 u. 78). Und wie an einem kirchlichen Gebäude begegnet an einem welt-
lichen die Bitte um göttlichen Beistand zur Vollendung des begonnenen Werkes (Nr. 59). Oft wird
auch Gottes Mithilfe dankend hervorgehoben (z. B. Nr. 50) und für den fertiggestellten Bau um
seinen Schutz gebeten (Nr. 42). Sogar die Mahnung an den Tod hat an Bürgerhäusern Ausdruck
gefunden (Nr. 38 u. 43).
Und mit der gleichen Unbekümmertheit, mit der früher Korn- und Weinpreise an Kirchen ver-
ewigt wurden, nennt man sie nun im Zusammenhang mit religiösen Sprüchen (z. B. Nr. 52).
Diese Art chronikalischer Aufzeichnung war im 16. Jahrhundert in Wertheim besonders beliebt.
Sie findet sich nicht nur an den meisten Bürgerhäusern jener Zeit, sondern auch an den öffent-
lichen Bauten: dem Engelbrunnen (Nr. 45) und der Münze (Nr. 63). Auch in Dertingen hat sich
eine derartige Inschrift erhalten mit der gleichen charakteristischen Verbindung von allerlei Nach-
richten mit religiösen Sprüchen, die gerade so gut in mittelalterlichen kirchlichen Inschriften
stehen könnten (Nr. 54).
Es lohnt sich die verschiedenen Preisangaben einmal übersichtlich zusammenzustellen. Es galten
im Jahre
1445 das Fuder Wein
1447 das Fuder Wein
1472 das Fuder Wein
1558 das Fuder Wein
1573 das Fuder Wein
1574 das Fuder Wein
1574 das Fuder Wein
1 Gulden und das Malter Korn 1/2
20 Gulden und das Malter Korn 1
2 Gulden und das Malter Korn 1/2
31 Gulden und das Malter Korn 1
50 Gulden und das Malter Korn 5
68 Gulden und das Malter Korn 6
70 Gulden und das Malter Korn 6V2
Gulden in Nr. 9
Gulden in Nr. 10
Gulden in
Gulden in
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Nr. 13
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