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Cucuel, Ernst [Bearb.]; Eckert, Hermann [Bearb.]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 1 : Heidelberger Reihe ; Band 1): Die Inschriften des badischen Main- und Taubergrundes: Wertheim-Tauberbischofsheim — Stuttgart: Druckenmueller, 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.53141#0040
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Zeiten der Not und des Unglücks Gottes Segen mit der Stiftung haben zurückgewinnen wollen.
Sicher spielten vielfach auch die noch heute geltenden Erwägungen mit, daß diese Steinmaie Flaus
und Höf beschützen, Seuchen den Zutritt verwehren und den Feldern in der Nähe des Standortes
Fruchtbarkeit bringen. Elie und da mag schließlich auch einer seinen Reichtum zur Schau gestellt
oder sich in seiner Wohlhabenheit zu solch einer Stiftung verpflichtet gefühlt haben. Jedenfalls
nennen die vielen Stiftungsinschriften den Namen stets mit einem gewissen Stolz, und vielleicht
lassen sich so auch die beiden nichtreligiösen Sprüche (Nr. 349 u. 391) am besten verstehen.
DIE GLOCKENINSCHRIFTEN
Der größte Teil unserer Glockeninschriften gibt keine Rätsel auf. In einfacher lateinischer oder
deutscher Sprache werden Jahr und bisweilen auch Tag des Gusses überliefert (z. B. Nr. 439 u. 442),
vielfach wird der Gießer genannt, mitunter auch die Amtspersonen oder Stifter (z. B. Nr. 447
u. 445), und oft finden sich in Verbindung mit solchen Angaben schlichte reimende Sprüche, die
keiner weiteren Deutung bedürfen (z. B. Nr. 467). Auch rein geistliche Texte begegnen nicht
selten: auf mehreren Glocken steht lediglich der englische Gruß (z. B. Nr. 452) oder ein Spruch
liturgischer Herkunft (z. B. Nr. 428), und vereinzelt findet man auch die naheliegende Mahnung
aufgegossen, zu Gebet und Gesang zu kommen (Nr. 431, 460).
Zahlreiche Inschriften sind dagegen schwerer verständlich. Bei zweien läßt sich nicht einmal mit
Sicherheit feststellen, was denn der Gießer mit ihnen zum Ausdruck bringen wollte - wenn er
überhaupt etwas Sinnvolles zu sagen beabsichtigte (Nr. 440 u. z. T. Nr. 427); eine dritte ist vielleicht
nur durch mangelhafte Überlieferung zum Rätsel geworden (Nr. 430). Viele andere aber bieten
zwar wohlverständliche Worte, der Sinn und vor allem die Gründe ihrer Anbringung bleiben jedoch
dunkel (z. B. Nr. 429, 432, 441).
Die Inschriften dieser Art sind Vorstellungen entsprungen, die heute nicht mehr Allgemeingut
sind. Die Glocke war in früheren Zeiten nicht nur ein Gerät, man hielt sie für ein Wesen mit
eigener Seele und versprach sich von ihren besonderen Kräften Schutz und Segen. Sie konnte vor
allem eines: Blitz und Unwetter abwenden, soweit ihre Stimme schallte. Dieser Volksglaube, der
in Überresten noch fortlebt, wurzelt hauptsächlich in der altheimischen Vorstellung, daß Lärm
aller Art wie Peitschenknallen, Schießen, Pfeifen, Trommeln, Läuten die feindlichen Dämonen
vertreibt, er ist zugleich aber auch eng mit dem christlichen Kult verknüpft. Die Kirche weiht von
alters her die Glocke in einem feierlichen Ritus, und dessen priesterliche Gebete enthalten noch
heute alle wesentlichen Stücke jenes Glaubens an die besonderen Kräfte der Glocke. Eine der in
Frage kommenden Stellen lautet in Übersetzung: „Mögen durch den Glockenschlag die Gläubigen
zum ewigen Lohn sich einladen lassen. Und wenn seine Melodie ins Ohr des Volkes klingt, möge
sie in ihnen Wachstum des frommen Glaubens fördern und alle Nachstellungen des Feindes, Flagel-
schauer, Sturmwind und Witterungsunbilden weit verscheuchen! Möge der Klang dämpfen drohen-
des Donnerrollen, und Sturmessausen heilsam und gemessen aufhalten. Es möge die Kraft deiner
Rechten die zerstörenden Gewalten der Lüfte niederhalten, daß sie beim Ton dieses Geläutes zit-
tern und fliehen vor dem aufgeprägten Wahrzeichen des hl. Kreuzes deines Sohnes, vor dem sich
beugt jedes Knie im Himmel, auf der Erde und in der Unterwelt.“
Ein großer Teil unserer Inschriften steht mit diesem Glauben in Zusammenhang. Schon daß fast
jeder Glocke das Kreuzeszeichen ein oder mehrere Male aufgegossen ist, hat ursprünglich diesen
tieferen Sinn. In einem Falle hat sich der Gießer auch noch der besonders wirksamen Kreuzesform
mit zwei Querbalken bedient (Nr. 433), in einem anderen brachte er in gleicher Absicht unter dem
Schriftband das Bild des Gekreuzigten in den vier Himmelsrichtungen an (Nr. 434). Vor allem
aber bot die Inschrift selbst die Möglichkeit, die Kraft der Glocke mit wetterbeschwörenden Worten
zu mehren. Am meisten scheint man sich in unserem Gebiet von den vier Evangelistennamen ver-
sprochen zu haben, da die allein neunmal verwendet wurden (vgl. Nr. 429). Von anderen wetter-
beschwörenden Formeln begegnen: dreimal die Kreuzesüberschrift (Nr. 432), zweimal das Glocken-
gebet ,,O rex gloriae veni cum pace“ (Nr. 441), zweimal das Christusmonogramm zusammen mit
dem Namen Maria (Nr. 436, 437) und einmal zwei zauberkräftige Namen des Gottessohnes, das
rätselhafte Ananisapta und das biblische Alpha und Omega (Nr. 445). Wahrscheinlich wird man
auch mit solchen Anrufungen wie „hilf got“ (Nr. 443 u. 461) gleiche Wirkungen beabsichtigt
haben. Zwei Glocken verkünden in der Inschrift schließlich selbst ihre Macht: „sturm weter störe
ich“ (Nr. 445) und noch umfassender; „pello nociva“ — ich vertreibe, was schädlich ist (Nr. 426).
Einem Wesen von solcher Kraft ist es auch angemessen, daß von ihm nicht wie von einer toten
Sache gesprochen wird. Man läßt es selbst zu Wort kommen - in vielen Inschriften redet die

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