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Cucuel, Ernst [Bearb.]; Eckert, Hermann [Bearb.]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 1 : Heidelberger Reihe ; Band 1): Die Inschriften des badischen Main- und Taubergrundes: Wertheim-Tauberbischofsheim — Stuttgart: Druckenmueller, 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.53141#0085
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Der Jesuit Gamans, der kurz nach 1641 Uissigheim besuchte,
gibt die Inschrift folgendermaßen wieder:
+ anno • dni m • cccxxx • vi subiit gladio Beatus Arnoldus
iuvenis • miles • de Uflincke XVIII Kl. Decebr.
In Übersetzung: 1336 am 14. November trat im blühenden Man-
nesalter unter das Schwert der selige Arnold, Ritter von Uissig-
heim.
Der Grabstein ruhte zu Gamans Zeit noch inmitten der Kirche,
3 bis 4 Fuß hoch über dem Boden auf zwei steinernen Füßen. Er
war schon damals beschädigt. Gamans ließ sich die noch vorhan-
denen Teile, die ein herab fallender Balken bei einer Kirchen-
ausbesserung zwei Jahre zuvor abgeschlagen hatte, herbeiholen
und ansetzen. — Zwischen 1691 und 1696 wurde der Stein an
die Wand versetzt, da er bei Prozessionen hinderte; beim Neu-
bau der Kirche 1847 kam er an die heutige Stelle.
Die Volksüberlieferung nennt den dargestellten Ritter den
„schwarzen Mann“ oder den „seligen Arnold“. Sie berichtet, „er
sei im Wald von Juden meuchlings überfallen und getötet wor-
den. Als man den Leichnam gefunden, habe man ihn auf einen
Wagen gelegt, die Zugtiere hätten ihn, ohne angetrieben zu
werden, zur Kirche gebracht, und die Glocken hätten von selbst
zu läuten angefangen“ (Werr nach Severus). Der Tote wurde bis
ins 18. Jahrhundert als Wundertätiger verehrt. Beim Grabstein
war der „Arnolds-Kasten“ angebracht, in den die Bauern ver-
schiedene Früchte legten, um vom Vieh Seuche und Krankheit
abzuwenden; diese Opfer fielen dann dem Kirchenfonds zu. Na-
mentlich von Wallfahrern, die alljährlich auf dem Weg nach
Walldürn hier durchzogen, ist bezeugt, daß sie vom Grabstein


Sand abschabten, um ihn in

Krankheitsfällen dem Vieh einzugeben.
Die geschichtliche Überlieferung berichtet im Gegensatz zur Sage von einer Hinrichtung. „Im
Jahre 1343 wurden in der Stadt Röttingen Juden getötet, ebenso in Aub, Bischofsheim und vielen
anderen Städten und Dörfern. Urheber und Anführer dieser Verfolgungen war ein gewisser Ritter
von Vssinkeim“. Er hatte eine Lästerung des Sakramentes durch einen Juden miterlebt und da-
nach geschworen, sich nach Kräften um die Tötung der Juden zu mühen. Und das tat er auch.
„Daraufhin veranlaßten die Juden den Herrn Gottfried von Hohenlohe durch ein Geschenk von

400 Pfund Heller, den Ritter zu fangen. Er wurde aufgegriffen und nach Röttingen gebracht. Dort
legte er wiederholt dem Dekan die Beichte ab und durfte die Sakramente empfangen, wurde aber
schließlich nach der Stadt Kitzingen geführt und dort enthauptet. Die Leiche brachte man in sein
Dorf Uissigheim und begrub sie in der Kirche. Da wurde er bekannt durch unzählige Wunder1.“
Die Jahreszahl stimmt freilich mit der von Gamans mitgeteilten des Grabsteins nicht überein; doch
weiß die angeführte Erfurter Chronik auch nicht den genauen Namen des Ritters anzugeben. Der
Würzburger Geschichtsschreiber Fries berichtet dagegen nur unter dem Jahr 1356 über Judenver-
folgungen zu Röttingen, Aub (Aue), Mergentheim, Uffenheim, Krautheim, Kitzingen „und ande-
ren inehr Orten“2.

Die bildliche Darstellung läßt sich mit diesen geschichtlichen Überlieferungen gut in Einklang
bringen. Die Haltung des Ritters spricht nicht für Mord. Die Nebengestalt ist außer mit einer
Tasche mit einem sehr langen Messer ausgerüstet: eine derartige Waffe durfte der Jude zu jener
Zeit nicht führen. Auch fehlt in Gamans’ genauer Beschreibung der Judenhut, das untrügliche
Kennzeichen des Juden in mittelalterlicher Darstellung. Gamans bezeichnet die ganze Nebengestalt
mit dem Ausdruck „aliquis opilio“, d. i. eine Art Schäfer. Das deutet alles auf einen Scharfrichter
hin, der am Gurt sein Gerät mit sich führt. Daß er den Ritter mit dessen eigenem Schwert ent-
hauptet, wie die beigegebene leere Scheide dartut, ist durchaus möglich als eine besondere Ver-
günstigung, ebenso die Bestattung in geweihter Erde. Der anschließende Wunderglaube spricht
eindeutig für Hinrichtung. Enthauptung3 galt als ehrlicher Tod, man faßte sie in früherer Zeit
als geheiligtes Sühneopfer, weniger als Vergeltung auf. Dem Hingerichteten legte man besondere
Kräfte bei — Armsünderschmalz! —, teils weil durch die Größe des Opfers seine Rechnung mit dem
Flimmel schon abgeschlossen, teils aus dem Gedanken, daß seine Lebenskraft noch unverbraucht war.

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