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Lutz, Dietrich [Oth.]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Contr.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Contr.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Contr.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Contr.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 15 : Münchner Reihe ; Band 4): Die Inschriften der Stadt Rothenburg ob der Tauber — München: Druckenmueller, 1976

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https://doi.org/10.11588/diglit.45638#0034
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Frühhumanistische Kapitalis67).
Die frühhumanistische Kapitalis kommt in Rothenburg nur in zwei Inschriften vor: die eine wurde
nach der Mitte des 15. Jahrhunderts auf das Spruchband der stilistisch älteren Plastik des Elias aufgemalt
(Nr. 70); die andere befindet sich auf dem linken Flügel und dem Gewandsaum des Predellenengels an
Riemenschneiders Heilig-Blut-Altar (Nr. 160;, der in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts entstand. Als
Kennzeichen dieser Übergangsschrift von der gotischen Majuskel zur Renaissance-Kapitalis erscheinen
hier die schlanken, gestreckten Buchstaben, das offene C, das offene, aus zwei ineinander verschlungenen
Bogen bestehende E (vgl. Nr. 70) und das H mit dem ausgebuchteten Querbalken (Nr. 70; Nr. 160).
Renaissance-Kapitalis68).
Wie die vorhergegangenen Schriftarten erscheint auch die Renaissance-Kapitalis in Rothenburg fertig
ausgebildet. Sie zeichnet sich durch Gleichförmigkeit der Buchstaben auf allen Inschriften aus. Sie lehnt
sich eng an die Kapitalisformen der Antike an, die sie bewußt kopiert. Das älteste erhaltene Rothenburger
Beispiel (1537, Nr. 186) 69) läßt die Renaissance-Kapitalis um einige Zeit später auftreten als in den meisten
bereits untersuchten Gebieten70). In Rothenburg läßt sich an den erhaltenen Inschriften nicht wie z. B.
in München eine Entwicklung ablesen. Die gemalte Bauinschrift (1572, Nr. 268) zeigt durch die jüngere
Übermalung die ursprünglichen Buchstabenformen nicht mehr deutlich. Nr. 290 (1576) ist eine hand-
werklich sehr einfache Ausführung. Am ehesten weicht noch Nr. 357 (1587) mit den sehr schlanken Buch-
staben von der sonst eingehaltenen Norm ab. Auch die wenigen erhaltenen Metallepitaphien mit Renais-
sance-Kapitalis (z. B. 1577, Nr. 296; 1595, Nr. 383; 1632, Nr. 581; 1645, Nr. 628) weisen keine Besonder-
heiten gegenüber den in Stein gearbeiteten Inschriften auf.
Aus der Bezold-Handschrift sind wir über die Verluste der in Kapitalis geschriebenen Inschriften genau
informiert, da er bei dieser Schriftart vermerkt: „in großen Lateinischen buchstaben“. So wissen wir von
zehn verlorenen Holzepitaphien, über fünfzehn Metallepitaphien und fast zwanzig Grabmälern oder Grab-
steinen. Es handelt sich dabei fast immer um besonders reich gestaltete Inschriftträger, wie wir der Be-
schreibung bei Bezold entnehmen können. Die Inschriften galten meist den Angehörigen der vornehmen
Familien. Alle einfachen Grabsteine und Epitaphien wurden in gotischer Minuskel und später in Fraktur
ausgeführt.
Die einzelnen Buchstaben der erhaltenen Inschriften weisen folgende Merkmale auf:
A tritt in mehreren Formen auf. Die gebräuchlichste besteht aus zwei schräg gegeneinandergestellten
Schäften und einem waagerechten Querbalken in der Mitte (vgl. 1537, Nr. 186; 1577, Nr. 296; 1625,
Nr. 509). Daneben gibt es eine Form mit einem Deckbalken über dem Schnittpunkt der Schäfte
(vgl. 1586, Nr. 348) und eine andere mit nach unten geknicktem Mittelquerbalken (vgl. 1631, Nr. 546).
E Querbalken gelegentlich keilförmig (vgl. 1595, Nr. 383; 1625, Nr. 509), der mittlere Balken ist meist
kürzer als die beiden anderen (vgl. 1537, Nr. 186; 1595, Nr. 383; 1631, Nr. 546).
F unterer Querbalken stets kürzer als der obere (vgl. 1537, Nr. 186; 1595, Nr. 383).
M der Mittelteil reicht in den meisten Fällen nicht bis zur Grundlinie herunter (vgl. 1586, Nr. 348; 1625,
Nr. 509). Die Schäfte sind immer gerade.
O länglich rund (vgl. 1595, Nr. 383) bis spitzoval (vgl. 1625, Nr. 509; 1631, Nr. 546), nur in zwei Fällen
kreisrund (Nr. 201, 202).
R der Abstrich reicht gelegentlich unter die Grundlinie (vgl. 1595, Nr. 383).
U und V werden in den meisten Fällen graphisch nicht differenziert, rundes U kommt nur in zwei In-
schriften vor, in den Wappenbeischriften von Nr. 549 (1631) und nicht ganz konsequent neben V ver-
wendet in Nr. 581 (1634).
I mit Punkt kommt selten vor (1587, Nr. 357; 1634, Nr. 577; 1645, Nr. 628).
Ligaturen werden selten verwendet; außer der AE-Ligatur kommen z. B. vor: ME, AV, HE (1634,
Nr. 577); MB, VN, HE (1631, Nr. 550).

67) Vgl. DI Bd. V München S. XXIII.
68) Vgl. DI Bd. V München S. XXIIIf.; DI Bd. XII Heidelberg S. XXf.; DI Bd. XIV Fritzlar S. XXIII.
69) Nr. 167 und 169 müssen bei der Betrachtung unberücksichtigt bleiben, da nur einzelne Buchstaben in Kapi-
talis aufgemalt sind.
70) Mainz 1484, München 1499, Heidelberg Ende 15. Jahrhundert, Fritzlar 1521.

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