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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0009
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Vorwort.

I. Die evangelische Kirche legt auf das Recht geringeren Werth als die vorreforma-
torische Kirche; ihren Schwerpunkt findet sie im Evangelium. Niemals jedoch sind die Refor-
matoren der Meinung gewesen, die Kirche könne einer festen Ordnung, eines eigenen Rechtes,
entbehren. Es war ihnen wohl bekannt, welches Gewicht die Heilige Schrift auf die Ordnung
in der Gemeinde legt (1. Kor. 14, 33, 40, Kol. 2, 5, 1. Kor. 1, 10, 11, 34, 12, 25, Tit. 1, 5), und
die Mahnung des Apostels: „Lasset alles ehrlich und ordentlich zugehen“ (1. Kor. 14, 40) steht
nicht ohne Grund als Leitwort an der Spitze so vieler Kirchenordnungen. Die sichtbare Kirche
bedarf der Rechtsordnung. Ohne sie ist die ευταξια, wie Melanchthon in den Loci theol. sich
wiederholt ausdrückt, nicht denkbar (vgl. A. C. Art. 28; Apol. Art. 14; Melanchthon, Loci theol.
[zweite Bearbeitung] Corp. Ref. XXI, S. 555).
Die Ausbildung dieser Rechtsordnung in der evangelischen Kirche hängt auf das Engste
mit der Entwickelung der evangelischen Kirche überhaupt zusammen. Die zunächst nur gegen
einzelne Punkte des herrschenden Systems gerichtete Bewegung vertiefte sich allmählich. Nach-
dem einige Andere vorgegangen, trat endlich Luther selbst mit reformatorischen Ordnungen
hervor. Dabei lag dem Reformator nichts ferner, als etwa wie ein Gesetzgeber allgemein bin-
dende Vorschriften zu erlassen. „Es ist nicht meine meinunge, das ganze deutsche land so
eben müste unser Wittenbergische ordnung annemen. Ists doch auch bisher nie geschehen, das
die stifte, klöster und pfarhen in allen stücken gleich weren gewesen, sondern fein were es, wo
in einer izlichen herrschaft der gottesdienst auf einerlei weise ginge, und die umbliegende sted-
lin und dörfer mit einer stadt gleich bardeten; ob die in andern herrschaften dieselbigen auch
hielten, oder was besonders dazu theten, soll frei und ungestraft sein.“ (Vorrede zur deutschen
Messe von 1526.) Und den Erfurtern schrieb er am 28. October 1525 (Enders, Briefwechsel
5, 287): „Nec referre puto si caeterae ecclesiae nolint in eam concedere: quis coget invitos?
Nos sane iam delineaveramus formam. tum si placuerit, nobis confirmari, vel vestris uti
poteritis.“ Wie sich Luther die Entstehung des kirchlichen Rechtes dachte, zeigt er in einem
Schreiben an Landgraf Philipp von Hessen (mit Bezug auf den Reformationsentwurf der Synode
von Homburg 1527). Hier spricht er den Gedanken aus, dass die Pfarrherrn (und zwar zunächst
bloss einige) eine einträchtige Weise in einzelnen Stücken verfolgten, diese in’s Werk setzten,
und damit fortführen, auch andere Pfarrer gewönnen, und ihre Ordnung auf andere Punkte aus-
dehnten — „und dann könnte man’s in’s Büchlein fassen“. Als Nikolaus Hausmann seine Ord-
nung für Dessau verfasst hatte, widerrieth Luther die öffentliche Herausgabe, um der Ordnung
nicht einen gesetzlichen Charakter zu geben; sie sollte sich allmählich in den Gemeinden ein-
 
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