XIV
Vorwort.
Lübecker überein, sondern sind grundverschieden von dieser. Wenn in der Brandenburg-Nürn-
berger Kirchen-Ordnung von 1533 beim Abschnitt „Vom Freyen Willen“ Richter den Ver-
merk setzt „aus dem Sächsischen Unterrichte der Visitatoren, oben No. XXI“, so muss der
Leser Übereinstimmung annehmen, in Wahrheit aber finden sich nicht unwesentliche Verschieden-
heiten. Ungenau ist es, mit Richter die Übereinstimmung der Ansbacher Ordnung von 1552
mit der Brandenburger von 1533 zu behaupten. Diese Beispiele mögen genügen. Auch von
anderer Seite sind Richter solche Ungenauigkeiten nachgewiesen worden, z. B. von Koldewey
in Theolog. Studien und Kritiken 1888, S. 553, Anm. 4 bezüglich der Behauptung, dass die
Lüneburger Kirchen-Ordnung von 1598 mit derjenigen von 1564 wörtlich übereinstimme. Ver-
weisungen sind also nur bei wörtlicher Übereinstimmung erlaubt. Ähnlichkeit berechtigt noch
nicht dazu, denn auf den ersten Blick oder für. den Nichtspecialisten unwesentlich erscheinende
Abweichungen können für den Specialforscher von grosser Wichtigkeit sein. Und dass dies auf
theologischem Gebiete besonders der Fall ist, bedarf kaum der Erwähnung.
Die wörtliche Übereinstimmung braucht nun nicht gerade sclavisch verstanden zu sein.
Rein sprachliche Abweichungen, die am Sinne nichts ändern, sind nicht hervorzuheben. Wenn
die Lübecker Kirchen-Ordnung in der Mehrzahl „mann“, die Hamburger dagegen „lüde“ sagt,
so kann dies ja für den Philologen recht interessant sein, bedarf jedoch in einer Sammlung von
Kirchen-Ordnungen nicht der Erwähnung.
4. Richter hat von den ihm überhaupt bekannten Ordnungen nur die „wichtigeren“
abgedruckt (in der vorhin besprochenen Zerstückelung), von den anderen bringt er entweder nur
ganz kurze Auszüge (z. B. 1—2 Seiten Text) oder nur den Titel.
Ist es berechtigt, wichtigere oder unwichtigere Ordnungen zu unterscheiden? Zunächst
werden die Ansichten über das, was wichtig ist, gewiss nicht immer. übereinstimmen. Ferner.
Eine Ordnung, welche für die Entwickelung der Verfassung gleichgültig ist, kann vielleicht für
einen anderen Punkt des Kirchenwesens von grosser Bedeutung sein. Eine Ordnung, die für
die allgemeine Entwickelung von untergeordneter Tragweite ist, kann für die Lokalentwickelung
einen hohen Werth besessen haben. Eine allen Forderungen der Kritik entsprechende Scheidung
hiesse bei dem Herausgeber Kenntnisse voraussetzen, wie sie nur die grosse Zahl der Special-
forscher, jeder für sein eigenes Gebiet, besitzen kann.
Wollte man etwa die für die kleineren Gebiete geltenden Ordnungen ausschliessen, so
würde man unter Umständen die interessantesten zurückstellen. Man denke an die Kasten-
Ordnung von Leisnig, an die 'Kirchen-Ordnung von Reutlingen, an die Kirchen-Ordnung für die
Stadt Braunschweig u. s. w.
Ähnlich würde es stehen, wenn man von der Sammlung eine Ordnung ausschliessen
wollte, weil sie vielleicht nur vorübergehende Bedeutung besessen hat. Gerade aus einer solchen
Ordnung kann bisweilen der Werdegang des Rechtes erst erkannt und damit der richtige Stand-
punkt für das Verständniss des Definitiven gewonnen werden.
Wollte man aber schliesslich überhaupt nur dasjenige abdrucken, was für das Verständ-
niss der Gegenwart unumgänglich nothwendig wäre, so würde der Herausgeber wieder vor eine
kaum lösbare Aufgabe gestellt sein.
Oder wollte man etwa eine Beschränkung auf diejenigen Ordnungen gutheissen, welche
noch in der Gegenwart Geltung beanspruchen? (vgl. Jacobson, in Zeitschr. f. d. Recht 19, 1 ff.).
IV. Aus dem Vorstehenden gewinnen wir folgende Grundsätze für eine neue Ausgabe
der Kirchen-Ordnungen.
Dieselbe muss enthalten: Möglichst sämmtliche evangelische Kirchen-Ordnungen und
diese wiederum möglichst vollständig, d. h. ohne Abkürzungen und ohne (im obigen Sinne) un-
zulässige Verweisungen.
Vorwort.
Lübecker überein, sondern sind grundverschieden von dieser. Wenn in der Brandenburg-Nürn-
berger Kirchen-Ordnung von 1533 beim Abschnitt „Vom Freyen Willen“ Richter den Ver-
merk setzt „aus dem Sächsischen Unterrichte der Visitatoren, oben No. XXI“, so muss der
Leser Übereinstimmung annehmen, in Wahrheit aber finden sich nicht unwesentliche Verschieden-
heiten. Ungenau ist es, mit Richter die Übereinstimmung der Ansbacher Ordnung von 1552
mit der Brandenburger von 1533 zu behaupten. Diese Beispiele mögen genügen. Auch von
anderer Seite sind Richter solche Ungenauigkeiten nachgewiesen worden, z. B. von Koldewey
in Theolog. Studien und Kritiken 1888, S. 553, Anm. 4 bezüglich der Behauptung, dass die
Lüneburger Kirchen-Ordnung von 1598 mit derjenigen von 1564 wörtlich übereinstimme. Ver-
weisungen sind also nur bei wörtlicher Übereinstimmung erlaubt. Ähnlichkeit berechtigt noch
nicht dazu, denn auf den ersten Blick oder für. den Nichtspecialisten unwesentlich erscheinende
Abweichungen können für den Specialforscher von grosser Wichtigkeit sein. Und dass dies auf
theologischem Gebiete besonders der Fall ist, bedarf kaum der Erwähnung.
Die wörtliche Übereinstimmung braucht nun nicht gerade sclavisch verstanden zu sein.
Rein sprachliche Abweichungen, die am Sinne nichts ändern, sind nicht hervorzuheben. Wenn
die Lübecker Kirchen-Ordnung in der Mehrzahl „mann“, die Hamburger dagegen „lüde“ sagt,
so kann dies ja für den Philologen recht interessant sein, bedarf jedoch in einer Sammlung von
Kirchen-Ordnungen nicht der Erwähnung.
4. Richter hat von den ihm überhaupt bekannten Ordnungen nur die „wichtigeren“
abgedruckt (in der vorhin besprochenen Zerstückelung), von den anderen bringt er entweder nur
ganz kurze Auszüge (z. B. 1—2 Seiten Text) oder nur den Titel.
Ist es berechtigt, wichtigere oder unwichtigere Ordnungen zu unterscheiden? Zunächst
werden die Ansichten über das, was wichtig ist, gewiss nicht immer. übereinstimmen. Ferner.
Eine Ordnung, welche für die Entwickelung der Verfassung gleichgültig ist, kann vielleicht für
einen anderen Punkt des Kirchenwesens von grosser Bedeutung sein. Eine Ordnung, die für
die allgemeine Entwickelung von untergeordneter Tragweite ist, kann für die Lokalentwickelung
einen hohen Werth besessen haben. Eine allen Forderungen der Kritik entsprechende Scheidung
hiesse bei dem Herausgeber Kenntnisse voraussetzen, wie sie nur die grosse Zahl der Special-
forscher, jeder für sein eigenes Gebiet, besitzen kann.
Wollte man etwa die für die kleineren Gebiete geltenden Ordnungen ausschliessen, so
würde man unter Umständen die interessantesten zurückstellen. Man denke an die Kasten-
Ordnung von Leisnig, an die 'Kirchen-Ordnung von Reutlingen, an die Kirchen-Ordnung für die
Stadt Braunschweig u. s. w.
Ähnlich würde es stehen, wenn man von der Sammlung eine Ordnung ausschliessen
wollte, weil sie vielleicht nur vorübergehende Bedeutung besessen hat. Gerade aus einer solchen
Ordnung kann bisweilen der Werdegang des Rechtes erst erkannt und damit der richtige Stand-
punkt für das Verständniss des Definitiven gewonnen werden.
Wollte man aber schliesslich überhaupt nur dasjenige abdrucken, was für das Verständ-
niss der Gegenwart unumgänglich nothwendig wäre, so würde der Herausgeber wieder vor eine
kaum lösbare Aufgabe gestellt sein.
Oder wollte man etwa eine Beschränkung auf diejenigen Ordnungen gutheissen, welche
noch in der Gegenwart Geltung beanspruchen? (vgl. Jacobson, in Zeitschr. f. d. Recht 19, 1 ff.).
IV. Aus dem Vorstehenden gewinnen wir folgende Grundsätze für eine neue Ausgabe
der Kirchen-Ordnungen.
Dieselbe muss enthalten: Möglichst sämmtliche evangelische Kirchen-Ordnungen und
diese wiederum möglichst vollständig, d. h. ohne Abkürzungen und ohne (im obigen Sinne) un-
zulässige Verweisungen.