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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0031
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2. Formula missae et communionis pro ecclesia Wittembergensi 1523.

wollen, denn man mus die seelen nicht uber-
schutten , das sie nicht mude und uberdrussig
werden, wie bis her in klostern und stiften sie
sich mit esels erbeit beladen haben.
Desselben gleichen an dem abent umb sechs
oder funfe wider also zu samen. Und hie
sollt aber aus dem altem testament ein buch
nach dem andern furgenomen werden, nemlich
die propheten, gleich wie am morgen Moses und
die historien. Aber weil nu das neue testament
auch ein buch ist, las ich das alte testament
dem morgen, und das neue dem abent, oder
widerrumb und gleich also lesen, aus legen,
loben, singen und beten, wie am morgen, auch
ein stund lang. Denn es ist alles zuthun umb
gottis wort, das dasselb im schwang gehe und
die seelen imer aufrichte und erquicke, das sie
nicht lass werden.
Will man nu solch versamlung des tags noch
ein mal halten nach essens, das stehe in freier
wilkore.
Auch ob solchs tegliches gottis diensts vileicht
nicht die ganze versamlunge gewarten kunde,
sollen doch die priester und schuler und zuvor
die ienigen, so man verhofft gute prediger und
seelsorger aus zu werden, solchs thun. Und das
man sie ermane, solchs frei, nicht aus zwang
oder unlust, nicht umb lohn zeitlich noch ewig,
sondern alleine gott zu ehren, den nehisten zu
nutz zu thun.
Des sontags aber soll solch versamlung fur
die ganzen gemeine geschehen, uber das tegliche
versamlen des kleinern haufen, und da selbs,
wie bis her gewonet, mess und vesper singen,
also das man zu beider zeit predige der ganzen
gemeine, des morgens das gewonlich evangelion,
des abents die epistel, oder stehe bei dem
prediger, ob er auch ein buch fur sich neme
oder zwei, wie ihn dunkt das nutzist sein.
Will nu iemand als dann das sacrament
entpfahen, dem lass mans geben, wie man das
alles wol kan unternander nach gelegenheit der
zeit und person schicken.
Die teglichen messen sollen absein allerdinge,
denn es am wort, und nicht an der messen ligt.

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Doch ob etlich ausser dem sontag begerten das
sacrament, so halt man messe, wie das die an-
dacht und zeit gibt, denn hie kann man kein
gesetz noch zil setzen.
Das gesenge in den sontags messen und
vesper las man bleiben, denn sie sind fast gut
und aus der schrift gezogen, doch mag mans
wenigern oder mehren. Aber das gesenge und
psalmen teglich des morgens und abents zu stellen
soll des pfarrers und predigers amt sein, das sie
auf ein iglichen morgen ein psalmen, ein fein
responsorion oder antiphen mit einer collecten
ordenen. Des abents auch also, nach der lection
und auslegung offentlich zu lesen und zusingen.
Aber die antiphen und responsoria und collecten,
legenden von den heiligen und vom creuz, lass
man noch ein zeit stille ligen, bis sie gefegt
werden, denn es ist greulich viel unflats drinnen.
Aller heiligen fest sollten ab sein, oder
wo ein gute christliche legende were, auf den
sontag nach dem evangelio zum exempel mit ein
gefurt werden. Doch das fest purificationis, an-
nunciationis Marie liess ich bleiben, assumptionis
und nativitatis mus man noch ein zeitlang
bleiben lassen, wie wol der gesang drinnen nicht
lauter ist. Johannis Baptiste fest ist auch rein.
Der apostel legend ist keine rein, on S. Pauli,
drumb mag man sie auf die sontage zihen, oder so
es gefelt, sonderlich feiren.
Anders mehr wirt sich mit der zeit selb
geben, wenn es angehet Aber die summa sei
die, das es ia alles geschehe, das das wort im
schwang gehe und nicht widerumb ein loren und
dohnen draus werde, wie bis her gewesen ist. Es
ist alles besser nach gelassen, denn das wort .
Und ist nichts besser getrieben denn das wort.
Denn das das selb solt im schwang unter den
christen gehen, zeigt die ganze schrift an, und
Christus auch selb sagt, Luce x. 'Eins ist von
noten.' Nemlich das Maria zu Christus fussen
sitze und hore sein wort teglich, das ist das beste
teil, das zurwelen ist, und nimer weg genomen
wirt. Es ist ein ewig wort, das ander mus alles
vergehen, wie viel es auch der Martha zuschaffen
gibt. Dazu helf uns gott. Amen.

2. Formula missae et communionis pro ecclesia Wittembergensi 1523.
Luther hatte „diese Reinigung der überlieferten Messform von späteren Zuthaten“ zwar
zunächst für die Gemeinde zu Wittenberg, dann aber auch für einige Freunde bestimmt, die ihn
um solche Ordnung angegangen hatten, wie Nikolaus Hausmann in Zwickau. Die Arbeit vollzog
Luther im November 1523.
Auf Bitten Hausmann’s übersetzte Paulus Speratus die formula für die Laien in
das Deutsche. Eine weitere Übersetzung wurde von einer Nürnberger Druckerei veranstaltet.
Vgl. Schmidt, Nikolaus Hausmann, 1860, S. 27 ff. 31; Jacoby, Liturgik 1, 256 ff.;
Gottschick, Luthers Ansch. S. 68 ff.; Köstlin, Luther, 1, 561 ff.; Kawerau in Weim.
Ausg. 12, 199 ff.; Smend a. a.. O. S. 6.

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