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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0181
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3. Unterricht der visitatoren an die pfarrherrn im kurfürstenthum zu Sachsen. 1528.

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Daneben ist denn nützlich, das man vom
glauben predige. Also, das, wer reu und leid
umb seine sünde habe, das der selbige gleuben
sol, das im seine sünde nicht umb unsers ver-
diensts, sondern umb Christus willen, vergeben
werden. Wo denn das reuig und erschrocken ge-
wissen, davon frid, trost und freude empfehet,
das es hört, das uns die sunde vergeben sind,
umb Christus willen. Das heisst der glaub, der
uns für gott gerecht macht. Und sollen die leute
vleissig vermanen, das dieser glaube nicht künne
sein on ernstliche und warhaftige reu und schrecken
für gott, wie geschrieben ist, im 110 psalm, und
Ecclesiastici am ersten, der weisheit anfang ist
gott fürchten. Und Esaias sagt am letzten, auf
welchen sihet gott, denn allein auf ein erschrocken
und reuig herz ?
Solchs sol oft gesagt werden, das die leute
nicht in falschen wahn komen, und meinen, sie
haben glauben, so sie doch noch weit davon sind.
Und sol angezeigt werden, das allein in dem
glauben sein mügen, die warhaftige reu und leid
tragen uber ire sünde. Das ander, wo nicht reu
ist, ist ein gemalter glaub. Denn rechter glaube
sol trost und freude bringen an gott. Solcher
trost und freude wird nicht gefület, wo nicht reu
und schrecken ist, wie Christus Matthei am 11. sagt,
den armen wird das evangelion gepredigt.
Diese zwei sind die ersten stücke des christ-
lichen lebens, busse oder reu und leid, und glauben,
dadurch wir erlangen vergebung der sünde, und
gerecht werden für gott, und sol in uns, beides
wachsen und zuuemen.
Das dritte stück christliches lebens ist, gute
werk thun, als keuscheit, den nehesten lieben,
ihm helfen, nicht liegen, nicht betriegen, nicht
stelen, nicht todschlagen, nicht rachgirig sein,
nicht mit eigen gewalt rechen etc.
Darumb sollen abermals die zehen gebot
vleissig gepredigt werden, darin denn alle gute
werck verfasset sind.
Und heissen darumb gute werk, nicht allein
das sie dem nehesten zu gut geschehen, sondern
auch, das sie gott geboten hat. Derhalben sie
auch gott wolgefallen. Gott hat auch kein wol-
gefallen an denen, die sie nicht thun, wie Michee
am 6. stehet, o mensch ich will dir zeigen, was
gut ist, und was gott von dir foddert, nemlich,
das gericht thun, ja thun was recht ist, lust haben
dem nehesten guts zu thun, und in forcht für
gott wandeln.
Das erste gebot gottes leret gott förchten,
denn gott dreuet da denen, so ihnen nicht achten.
Es leret auch gott gleuben und trauen, denn gott
sagt zu, er wölle denen gut thun, die ihn lieben,
das ist, die sich zu ihm gutes versehen, wie Esaie
am 64. und 1 Corinth. 2. stehet, das kein auge
Sehling, Kirchenordnungen.

gesehen hat, und kein ohre gehört hat, und in
keines menschen herz gestiegen ist, das gott be-
reit hat denen, die ihn lieben.
Das ander gebot leret, das man gottes namen
nicht misbrauche. Das ist aber gottes namen
recht brauchen, ihn anrufen in allen nöten, leip-
lichen oder geistlichen, wie er geboten hat, im
49 Psalm, ruff mich an in der zeit der not, so
will ich dich erretten, so soltu mich preisen. Und
gott sagt in dem selben psalm, das das der rechte
dienst sei, damit man ihm dienen künde, ihn an-
rufen und bitten, das er helfe, dabei auch ihm
danksagen umb seine gutthat. Denn gott spricht
daselbst, so soltu mich preisen. Item, wer dank
opfert, der preiset mich, und das ist der weg, das
ich ihm zeige das heil gottes.
Hier sollen auch die pfarherr und prediger
die leut vermanen zu beten. Denn das ist die er-
füllung dieses gebots, beten, das ist, gott umb
hülfe ansuchen 1 2 3 4) in allen anfechtung. Und sollen
die leute unterrichten, was beten sei, und wie
man beten sol.
Von dem rechten christlichen gebet.
Erstlich sollen sie leren, das gott geboten
hat zu beten. Darumb, wie es grosse sunde ist
todschlagen, also ists auch sunde, nichts von gott
bitten oder begeren. Dieses gebot solt billich uns
reizen zu bitten2), dieweil gott nicht allein so
gütig ist, das er helfen wil, denen so bitten,
sondern auch gebeut zu bitten, Luce am 18. und
an vielen andern orten. Welchs die pfarherr den
leuten sollen fürhalten. Wenn ein fürst were,
der nicht allein gebe, was man von ihm begeret,
sondern geböte jederman zu bitten, was jedem von
nöten were, den würde man für einen gnedigen
herrn halten, und viel von ihm bitten. Denn so
wir mehr bitten, so er lieber gibt, wie er sagt
von Magdalena, Luce am 7., darumb wird ihr viel
vergeben, denn sie sich sehr viel guts zu mir
versihet3).
Zum andern, so sollen sie anzeigen, das auch
gott zugesagt hat uns zu hören, Matth. 7. Luce 11.
bittet, so wird euch gegeben4). Auf solche zu-
sage sollen wir uns lassen5), und nicht zweifeln.
Gott höret unser bitt. Wie Christus spricht,

1) 1538 statt [ansuchen]: anrufen.
2) 1538 statt [bitten]: beten.
3) 1538 statt [Wie er sagt . . versihet]: wie er
sagt Ephes. 3. Er kann thun mehr denn wir bitten
oder begreifen. Und Isa. 65. Ehe denn sie rufen, wil
ich sie erhören.
4) 1538 statt [Matth. 7 ... gegeben]: Luc. 11.
Matth. 7. Bittet, so werdet ir empfahen, suchet, so
werdet ir finden, klopfet an, so wird euch aufgethan.
Item bittet, so wird euch gegeben. Auf solche ..,
5) 1538 statt [lassen]: verlassen.

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