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Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.
Marci 11., darumb sage ich euch, alles was ihr
bittet in eurem gebet, gleubt nur, das irs empfahen
werdet, so wirds euch werden.
Es sol uns auch nicht abschrecken, das wir
sunder sind, denn er höret uns nicht umb unsers
verdiensts, sondern umb seiner zusage willen. So
stehet Michee am letzten, du wirst dem Jacob treu,
und dem Abraham gütig sein, wie du denn unsern
vetern vorzeiten geschworn hast.
Doch ist des sunders und heuchlers gebet
nicht erhöret, der nicht reu hat umb seine sunde
und heuchelei, denn von den selben ist gesprochen,
im 18 Psalm, sie rufen, aber da ist kein helfer,
zum herrn, aber er antwortet ihnen nicht.
Aber die so reu tragen und gleuben, das ihnen
gott, umb Christus willen, vergebe, die sollen sich
ihre gescheene sunde und heuchelei nicht lassen
abschrecken. Denn gott wil nicht verzweifelung
haben, sondern er wil, das wir gleuben, er erhöre
uns, und werde uns helfen. Darumb sollen die
pfarherr die leute also unterrichten, das zum gebet
glauben gehöret, das uns gott erhören wölle, wie
Jacobus spricht im 1 cap., er bitt1) aber im
glauben, und zweifel nicht, denn wer da zweifelt,
der ist gleich als eine woge des meres, die vom
winde getrieben und bewegt wird, solcher mensch
gedenke nur nicht, das er etwas von dem herrn
empfahen werde.
Das ist nicht gebett, so einer viel pater
noster, oder psalmen spricht, und in wind schlegt,'
achts nicht gros, versihet sich auch nicht, das gott
höre, wartet auch nicht auf gottes hülfe. Ja ein
solcher hat gar kein gott, und gehet ihm wie, der
114. psalm spricht, sein gott hat ohren und höret
nicht, das ist, er tichtet ihm ein gott, der doch
nicht höret.
Zum dritten, sollen sie die leute unterweisen,
das man etwas von gott zeitlichs oder ewigs be-
gere, ja sie sollen sie vermanen, das jeder gott
seine not fürhalte. Einen druckt armut, den
andern krankheit, den dritten sunde, den vierden
unglaube und andere gebrechen. Darumb viel
suchen2), einer bei S. Antonio, der ander bei
S. Sebastian etc. Was nu ist, so sol hülf bei
gott3) gesucht werden.
Und ob gott schon die hülfe verzeucht, sollen
wir darumb nicht ablassen zu bitten, wie wir
lernen, Luce am 18 capitel. Denn gott unsern
glauben also ubet. Ob gott auch gar nicht gebe,
das wir begeren, sollen wir dennoch nicht zwei-
feln, er habe unser bitt erhöret, sondern wissen,
ob er schon das nicht gibet, wird er anders geben,
bessers. Solchs sollen wir zu ihm stellen, und ihm
1) 1538 statt [Er bitt]: Er bete.
2) 1538 statt [viel suchen,]: viel suchen hülfe.
3) 1538 statt [hülfe bei gott]: hülfe allein bei
gott.
nicht zeit und mas bestimmen. Wie lang zog er
Abraham auf, und die andern veter, ehe das
ihnen 1) das verheissen land eingegeben ward ?’
Der exempel findet man genug in der schrift.
Das dritte gebot leret, den feiertag heiligen.
Wiewol nu gott die eusserliche feier uns nicht
also geboten hat, zu halten, wie den jüden, das
man gar kein handerbeit daran möchte thun,
dennoch sollen etliche feier gehalten werden, also,
dass man gottes wort höre und lere2), und die
leute gewisse zeit haben, zusamen zu komen etc.
Das vierde gebot leret, die eltern ehren, und
ihnen gehorsam sein. Hie sol den jungen leuten
vleissig fürgehalten werden, die zusage, da gott
verheisset, im andern buch Mose am 20.: Wer
seine eltern ehret, der sol lange leben. Das
ist, es sol ihm wol gehen in allem leben. Wer
die eltern unehret, und ihnen ungehorsam ist, der
sol unglück haben. Wie der Cam vermaledeiet
ist von seinem vater Noe, Genesis am 9. Denn
sein vater sprach, verflucht sei Canaan, und sei
ein knecht aller knechte, unter seinen brüdern.
Wie es dem Absalom ubel gangen ist, der seinen
vater veriagt hat, denn Absalom erhieng endlich
an einer eichen, wie man im andern teil Samuels
am 18 cap. liset. Wie Jacob den Ruben ver-
maledeiet, das er ihm sein weib beschliefe, Genesis
am 49. Denn sein vater sprach, du solt nicht der
ubrist sein, denn du bist auf deines vaters lager
gestiegen, daselbs hastu mein bette besuddelt mit
dem aufsteigen etc. Denn nützlich ist, die leut
leren, das alle wolfart _ und unglück von gott
kompt. Wolfart den, die gott förchten und
sein gebot halten, unglück denen, die gott ver-
achten. Ja, ob gott schon den fromen unglück
zuschicket, so hilft er ihnen doch, und tröstet sie
auch oft leiblich, nicht allein mit geistlichen gütern,
wie der 33. psalm spricht, der gerecht mus viel
leiden, aber der herr hilft ihm aus dem allen.
Und der ganze 37. psalm leret, erzürne dich nicht
uber dem ubel. Und ist ein grosser feil, das man
die leute nicht treibt, das sie leibliche güter von
gott hoffen und begeren3), denn in solchen solt
der glaube geübt werden.
Es ist auch nicht not, das man subtil dis-
putire vom verdienst, ob solche gott umb unser
werk willen gebe. Es ist genug, das man sie
unterrichte, .das gott solche werke fodder und
belohnung gebe, dieweil ers verheissen hat, on
unser verdienst.
Das ist von nöten zu leren, das uns gott die
sunde verzeihe, on alle unsere werk, umb Christus
1) 1538 statt [ehe das inen]: ehe inen.
2) 1538 statt [höre und lere]: höre und lerne.
3) 1538 statt [das sie .. begeren]: das sie aller
leiblicher güter von gott hoffen und begeren.
Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.
Marci 11., darumb sage ich euch, alles was ihr
bittet in eurem gebet, gleubt nur, das irs empfahen
werdet, so wirds euch werden.
Es sol uns auch nicht abschrecken, das wir
sunder sind, denn er höret uns nicht umb unsers
verdiensts, sondern umb seiner zusage willen. So
stehet Michee am letzten, du wirst dem Jacob treu,
und dem Abraham gütig sein, wie du denn unsern
vetern vorzeiten geschworn hast.
Doch ist des sunders und heuchlers gebet
nicht erhöret, der nicht reu hat umb seine sunde
und heuchelei, denn von den selben ist gesprochen,
im 18 Psalm, sie rufen, aber da ist kein helfer,
zum herrn, aber er antwortet ihnen nicht.
Aber die so reu tragen und gleuben, das ihnen
gott, umb Christus willen, vergebe, die sollen sich
ihre gescheene sunde und heuchelei nicht lassen
abschrecken. Denn gott wil nicht verzweifelung
haben, sondern er wil, das wir gleuben, er erhöre
uns, und werde uns helfen. Darumb sollen die
pfarherr die leute also unterrichten, das zum gebet
glauben gehöret, das uns gott erhören wölle, wie
Jacobus spricht im 1 cap., er bitt1) aber im
glauben, und zweifel nicht, denn wer da zweifelt,
der ist gleich als eine woge des meres, die vom
winde getrieben und bewegt wird, solcher mensch
gedenke nur nicht, das er etwas von dem herrn
empfahen werde.
Das ist nicht gebett, so einer viel pater
noster, oder psalmen spricht, und in wind schlegt,'
achts nicht gros, versihet sich auch nicht, das gott
höre, wartet auch nicht auf gottes hülfe. Ja ein
solcher hat gar kein gott, und gehet ihm wie, der
114. psalm spricht, sein gott hat ohren und höret
nicht, das ist, er tichtet ihm ein gott, der doch
nicht höret.
Zum dritten, sollen sie die leute unterweisen,
das man etwas von gott zeitlichs oder ewigs be-
gere, ja sie sollen sie vermanen, das jeder gott
seine not fürhalte. Einen druckt armut, den
andern krankheit, den dritten sunde, den vierden
unglaube und andere gebrechen. Darumb viel
suchen2), einer bei S. Antonio, der ander bei
S. Sebastian etc. Was nu ist, so sol hülf bei
gott3) gesucht werden.
Und ob gott schon die hülfe verzeucht, sollen
wir darumb nicht ablassen zu bitten, wie wir
lernen, Luce am 18 capitel. Denn gott unsern
glauben also ubet. Ob gott auch gar nicht gebe,
das wir begeren, sollen wir dennoch nicht zwei-
feln, er habe unser bitt erhöret, sondern wissen,
ob er schon das nicht gibet, wird er anders geben,
bessers. Solchs sollen wir zu ihm stellen, und ihm
1) 1538 statt [Er bitt]: Er bete.
2) 1538 statt [viel suchen,]: viel suchen hülfe.
3) 1538 statt [hülfe bei gott]: hülfe allein bei
gott.
nicht zeit und mas bestimmen. Wie lang zog er
Abraham auf, und die andern veter, ehe das
ihnen 1) das verheissen land eingegeben ward ?’
Der exempel findet man genug in der schrift.
Das dritte gebot leret, den feiertag heiligen.
Wiewol nu gott die eusserliche feier uns nicht
also geboten hat, zu halten, wie den jüden, das
man gar kein handerbeit daran möchte thun,
dennoch sollen etliche feier gehalten werden, also,
dass man gottes wort höre und lere2), und die
leute gewisse zeit haben, zusamen zu komen etc.
Das vierde gebot leret, die eltern ehren, und
ihnen gehorsam sein. Hie sol den jungen leuten
vleissig fürgehalten werden, die zusage, da gott
verheisset, im andern buch Mose am 20.: Wer
seine eltern ehret, der sol lange leben. Das
ist, es sol ihm wol gehen in allem leben. Wer
die eltern unehret, und ihnen ungehorsam ist, der
sol unglück haben. Wie der Cam vermaledeiet
ist von seinem vater Noe, Genesis am 9. Denn
sein vater sprach, verflucht sei Canaan, und sei
ein knecht aller knechte, unter seinen brüdern.
Wie es dem Absalom ubel gangen ist, der seinen
vater veriagt hat, denn Absalom erhieng endlich
an einer eichen, wie man im andern teil Samuels
am 18 cap. liset. Wie Jacob den Ruben ver-
maledeiet, das er ihm sein weib beschliefe, Genesis
am 49. Denn sein vater sprach, du solt nicht der
ubrist sein, denn du bist auf deines vaters lager
gestiegen, daselbs hastu mein bette besuddelt mit
dem aufsteigen etc. Denn nützlich ist, die leut
leren, das alle wolfart _ und unglück von gott
kompt. Wolfart den, die gott förchten und
sein gebot halten, unglück denen, die gott ver-
achten. Ja, ob gott schon den fromen unglück
zuschicket, so hilft er ihnen doch, und tröstet sie
auch oft leiblich, nicht allein mit geistlichen gütern,
wie der 33. psalm spricht, der gerecht mus viel
leiden, aber der herr hilft ihm aus dem allen.
Und der ganze 37. psalm leret, erzürne dich nicht
uber dem ubel. Und ist ein grosser feil, das man
die leute nicht treibt, das sie leibliche güter von
gott hoffen und begeren3), denn in solchen solt
der glaube geübt werden.
Es ist auch nicht not, das man subtil dis-
putire vom verdienst, ob solche gott umb unser
werk willen gebe. Es ist genug, das man sie
unterrichte, .das gott solche werke fodder und
belohnung gebe, dieweil ers verheissen hat, on
unser verdienst.
Das ist von nöten zu leren, das uns gott die
sunde verzeihe, on alle unsere werk, umb Christus
1) 1538 statt [ehe das inen]: ehe inen.
2) 1538 statt [höre und lere]: höre und lerne.
3) 1538 statt [das sie .. begeren]: das sie aller
leiblicher güter von gott hoffen und begeren.