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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0184
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Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.

königs ist wie das brüllen eines jungen lewen,
wer ihn erzürnet, der sundiget wider seine seele.
Das dritte, das man der öbrikeit zu erzeigen
schuldig ist, heisst ehre. Denn was ist das, das
wir wenen, wenn wir der öbrikeit rent und zins,
oder erbeit des leibs geben haben, so haben wir
sie bezalet? Aber gott fordert viel einen höhern
dienst gegen der öbrikeit von uns, nemlich ehre.
Das ist erstlich, das wir erkennen, das die öbri-
keit von gott da sei, und das uns gott durch sie
viel grösser güter gibt, denn wo gott öbrikeit und
recht in der welt nicht erhielte, würde der teufel,
der ein todschleger ist, allenthalben mord an-
richten, das nirgend unser leben, weib und kinder
sicher weren.
Aber gott erhelt öbrikeit, und gibt dadurch
friede, straft die frevelen, und weret ihnen, das
wir mügen weib und kind erneren, die kinder zu
zucht und gottes erkentnis erziehen, sicher sein
in unsern heusern, auf der strassen, das eins dem
andern helfen müge, und zu dem andern komen,
und bei ihm wonen. Solchs sind eitel himlische
güter, die wil gott, das wir sie betrachten und
erkennen, das sie gottes gaben sind. Und wil,
das wir der öbrikeit, als seine dienerin, ehren,
ihr dankbarkeit erzeigen, darumb, das uns gott
solch grosse güter durch die oberkeit gibt.
Wer nu gott also in der öbrikeit sehen
möchte, der würde die öbrikeit herzlich lieb
haben, wer diese güter betrachten künte, die wir
empfahen durch die öbrikeit, der würde der öbri-
keit herzlichen 1) danken. Wenn du wisstest, das
jemand dein kind von dem tode errettet hette, du
würdest dem selbigen gütlichen danken. Warumb
bistu denn nicht dankbar der öbrikeit, die dich,
deine kinder, dein weib, von teglichem mord er-
rettet? Denn so die öbrikeit nicht den bösen2)
werete, wenn weren wir sicher? Darumb, wenn
du weib und kind ansihest, so soltu gedenken,
dis sind gottes gaben, die ich durch die öbrikeit
behalten mag. Und als lieb du deine kinder hast,
also lieb soltu auch die öbrikeit haben. Und
dieweil der gemeine man solche güter (frieden,
recht, straf der bösen) nicht erkennet, sol man sie
vleissig erkleren, und oft zu bedencken erinnern.
Zum andern ist die höchste ehre, das man
für die öbrikeit herzlich bitte , das ihnen gott
gnade und verstand geben wölle, wol und friedlich
zu regiren, wie S. Paulus gelert hat, in der 1 zu
Timoth. am andern cap. So ermane ich nu, das man |
für allen dingen zuerst thue bitte, gebet, fürbit
und danksagung für alle menschen, für die könige
und für alle öbrikeit, auf das wir ein gerüglich
und stilles leben füren mügen, in aller gottselic

keit und redlickeit. Denn das ist gut, dazu auch
angenehme für gott unserm heilande. Und Baruch
am ersten, bittet für das leben könig Nabucho-
donosor zu Babylonien, und seines sons Baltasar,
das ire tage seien, wie die tage des himels auf
die erden1), und das uns Gott kraft gebe, und
unsere augen erleuchte, das wir mügen leben
unter dem schatten und schutz könig Nabucho-
donosor zu Babylon, und seines sons Baltasar.
Denn dieweil friede ein göttlich gut ist, sollen
wirs von gott bitten und begeren.
Es sagen etliche, wie kan öbrikeit von gott
sein, so doch viel mit unrechtem gewalt zu hir-
schen kommen sind, als Julius. Und die schrift
nennet Nimrod einen jeger, darumb das er sehr
zugriffen hat, Genesis am 10.
Antwort, do Paulus zun Römern am 13.
spricht, das öbrikeit sei von gott, sol man ver-
stehen, nicht das öbrikeit also ein verhengniss
von gott sei, wie mörderei, oder ein ander laster
von gott verhengt werden, sondern das man sol ver-
stehen, das öbrikeit eine sonderliche ordnung und
gescheft gottes sei. Wie die sonne von gott
geschaffen ist, oder wie der ehestand von gott
eingesetzt ist. Und wie ein böser, der ein weib
nimpt nicht guter meinung, der ehe misbraucht,
also misbraucht auch ein tyrann gottes ordenung,
als Julius oder Nero. Dennoch ist die ordenung,
dadurch recht und friede erhalten wird, ein gött-
lich geschöpfe, ob schon die person, so sich der
ordnung misbraucht, unrecht thut.
Daneben sollen auch die prediger die öbrikeit
treulich erinnern, ihre unterthanen im fried, recht
und schutz zu halten, die armut, witwen und waisen
zu verteidigen, und nicht wie das vihe halten.
Wie denn gott Hieremie befalh, Hierem. am 7.
zu predigen dem ganzen volck Juda, mit ver-
heissung bei ihnen zu wonen. So schreibt auch
Paulus zu den Colossern am 3. Ihr herrn, was recht
und gleich ist, das beweiset den knechten, und
wisset, das ihr auch einen herrn habt im himel.
Der selbe herr wird zu seiner zeit böse öbrikeit
wol treffen. Denn Roboam, der son königs
Salomons, war ein mechtiger könig, und beschweret
sein volk sehr, wie ihm von seinen jungen reten
eingeben ward. Da nu das volk umb linderung
bat, gab ihnen könig Roboam diese antwort, mein
kleinster finger soll dicker sein, denn meines vaters
lenden, nu mein vater hat auf euch ein schwern
joch geladen, ich aber will es noch mehr uber
euch machen; mein vater hat euch mit peitschen
gezüchtiget, ich will euch mit scorpion züchtigen.
Also fiel2) ganz Israel vom könig Roboam, also
das er allein uber die kinder Israel regirte, die

1) 1538 statt [herzlich]: von herzen.
2) 1538 statt [den bösen]: dem bösen.

1) 1538 statt [auf die]: auf der.
2) 1538 statt [Also fiel]: Da fiel.
 
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