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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0191
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3. Unterricht der visitatoren an die pfarrherrn im kurfürstenthum zu Sachsen. 1528.

163

Von der rechten christlichen genug-
thuung für die sunde.
Genugthuung für unser sunde sind keine
unsere werk, denn allein Christus hat für unsere
sunde genug gethan, und dieses stücke der busse
gehört zu vergebung der sunde, und zum glauben,
das wir wissen und gleuben, das uns unsere sunde
umb Christus willen vergeben werden. Auf diese
weise ist von nöten, diesen artikel zu leren1).
Denn es ist nicht genug, das man wisse, das gott
die sunde strafen wolle, und das man reu für
die sünde trage, sondern man mus auch wissen,
das gott um Christus willen die sunde vergeben
wil, und das man solche vergebung mit glauben
erlange, so man gleubet, das gott die sünde umb
Christus willen vergeben wil. Denn es mus reu
und glauben bei einander sein. Denn reu on
glauben, bringet verzweivelung, wie im Judas und
Saul, so kan man auch warhaftigen glauben on
reue nicht haben.
Das sol man den leuten fürhalten, erstlich
sol man die leute zur forcht reizen, denn das ist
ein grosser zorn gottes uber die sunde, das nie-
mand für die sunde kan genug thun, denn allein
Christus, der son gottes. Solchs sol uns billich
erschrecken, das gott so hart zürnet uber die
sunde. Und ist das wort Christi wol zu bedenken,
Luc. am 23.: So man das thut am feuchten2)
holz, was wil am dürren werden ? Hat Christus
also umb unser sunde willen müssen leiden, wie
viel müssen wir leiden, so wir nicht wöllen reu
haben, sondern gott verachten3)?
reichlich in der predigt ausstreichen, das sie ein gött-
lich wort sei, darin einem iglichen in sonderheit die
sünde vergeben und los gesprochen werden, dadurch
der glaube gesterket und bewegt wird etc. Doch so
fern, das es alles frei bleibe, den jenen unverboten,
die der selben absolution brauchen wollen, und von
irem pfarherr villeicht lieber huben (als von einer
öffentlichen kirchspersonen) denn von einem andern,
auch villeicht nicht emperen können. Widerumb die
jenen ungezwungen (zuvor sie wol bericht im glauben
und in der lere Christi sind) so allein Gott beichten
wollen, und das sacrament darauf nemen, die sol man
nichts weiter zwingen, denn es nimpts\ ein jeder auf
sein gewissen, wie S. Paulus sagt, ein mensch prüfe
sich selbs etc.“
1) 1538 statt [Und dieses stücke ... leren]:
Darumb sol man die gnugthuung, . so im bapstthum
geleret, vleissig verdammen, mit alle irem anhang, als
fegfeur, messe, walfarten etc. Denn dis stücke ist
nicht zu rechen unter unsere busse, sondern es ist
Christus busse, der für uns in dem stücke gebüsset
und gnug gethan hat, on alle unser zuthun. Und ge-
hört viel mehr zum glauben, das wir wissen, das
unser sünde Christus selbs gebüsset hat. Denn es
(ist) nicht gnug ...
2) 1538 statt [feuchten]: grünen.
3) 1538 statt [sondern .. verachten]: sondern
gottes zorn verachten?
Hier folgt noch folgenden zusatz: „Summa, wers
nicht bessern kan, der neme für sich, kurz und grob,

Zum andern, sol man die leute zum glauben
reizen, ob wir schon nichts, denn verdamnis ver-
dienet haben, so vergibt uns doch gott on unser
verdienst, umb Christus willen. Das ist genug-
thuung, denn mit glauben erlanget man vergebung
der sünde, so man gleubet, das Christus für uns
genug gethan habe, wie Johannes sagt, in der
1. epistel am andern cap. Der selb ist die ver-
sönung für unsere sunde, nicht allein aber für die
unsere, sondern auch für der ganzen welt.
Von menschlichen kirchenordnung.
Man sihet, das viel unrats, aus unbescheiden
predigen, von kirchenordnung kömpt, darumb
sind die pfarherr vermanet, das sie mehr vleis
wollen haben, die stücke die1) nöthig sind, als
christliche busse, wie oben berürt, glauben, gute

die zwei stück, sterben und leben, die mus man ja
wol greifen. Sterben kömpt her von der sünden,
Gen. 3. und Rom. 6. Tod ist der sünden sold. Dar-
umb sol man den leuten zu fordest mit vleis einbilden
solchen grossen zorn gottes, das er die sünde damit
gestrafet hat, und noch straft und dreuet zu strafen,
wo man sich nicht bessert, Psalm 7. Bekeret ir euch
nicht, so hat er sein schwert gewetzt. Denn grobe
rohe leute, vergessen solch zorns, und denken nicht,
das sie sterben müssen, wenn sie sündigen, darumb
mus man sie erinnern, und den Mose mit seinen hör-
nern oder glenzen (das ist gottes gesetz) lassen auf
sie stossen, das sie für dem sterben und gottes zorn
erschrecken. Denn gottes zorn und sterben, kan man
nicht, denn durchs gesetz offenbaren, Rom. 3. Darumb
mus man das gesetz hart treiben, und die sünde wol
ausstreichen.
Welche nu solche hörner Mosi treffen, und sie
für solchem zorn gottes demüthig und erschreckt
werden, das sie den tod fülen, oder sorgen zu fülen,
die sind es, die reu und leid empfangen haben. Denn
gottes zorn und des todes stachel fülen, leret wol das
lachen verbeissen, oder freuden in sünden haben. Dis
stück, sterben, ist ja grob gnug zu verstehen, nemlich,
contritio, mortificatio, das ist, für dem tod sich ent-
setzen, für gottes zorn erschrecken.
Darauf sol denn folgen das andere stücke, und
solchen leuten mit vleis verkündigt werden, das es
nicht gnug sei an solchem sterben oder furcht für
dem sterben, sondern gott wil das leben liber denn
den tod, wie Psalm 30. sagt, sein zorn weret ein augen-
blick, hat aber lust das man lebe. Und Ezechiel, lebe
ich (spricht Gott) ich wil nicht das der sünder sterbe,
sondern das er wiederumb lebe etc. Hieher gehört nu
der liebe Christus, der nach dem Mose kömpt, und
erwürget für uns den tod etc.
Welche aber das sterben und Mose hörner nicht
fürchten, die begeren auch gewislich des lebens und
Christus nicht, wie wir für augen sehen, wie der pöfel
beide, evangelium und gesetz veracht, fragen nichts
darnach, ob sie leben können oder sterben mussen.
Diesen kan und sol man nichts predigen, denn es sind
sie doch seue und hunde, die das heiligtum zutreten
und uns zureissen. Matth. 5.“
„Und also, sol man die leute zum glauben reizen,
ob wir schon ....“
*) 1538 statt [die]: so.

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