Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (1. Band = 1. Abtheilung, 1. Hälfte): Die Ordnungen Luthers, die Ernestinischen und Albertinischen Gebiete — Leipzig: O.R. Reisland, 1902

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26586#0196
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
168

Die Kirchenordnungen. Ernestinisches Sachsen.

und die bösen strafen, zun Römern am 13. und
in der 1. Petri am 2., sol sie auch denen weren,
die gottesdienst, gute landsordnung, recht und ge-
richt wollen wegnemen. Darümb man schüldig
ist, den türken zu weren, die nicht allein die
lender begeren zu verderben, weib und kinder
schenden und ermorden, sondern auch landrecht,
gottesdienst und alle gute ordnung wegnemen, das
auch die ubrigen nachmals nicht mügen sicher
leben, noch die kinder zu zucht und tugent ge-
zogen werden.
Darümb sol fürnemlich eine öbrickeit kriegen,
das recht und erberkeit1) in lendern erhalten
werde, das nicht die nachkomen in unzüchtigem
wesen leben, denn viel leidlicher were es, einem
fromen man, sehen2) seiner kinder tod, denn das
sie türkische sitten müssten annemen. Denn die
türken gar keine erbarkeit wissen noch achten,
die gewaltigen nemen den andern gut, weib und
kind, nach ihrem mutwillen. Der gemeine man
achtet auch keiner ehepflicht, nemen weiber und
stossens aus, wie sie wollen, verkaufen die kinder.
Solche sitten, was sind es anders, denn eitel mord?
Des sind die hungern wol erfaren und gut zeugen,
wenn sie wider die türken streiten, das sie sich
dermassen ermanen: Lieber, wenn schon der
christlich glaube nichts were, so ists3) dennoch not,
das wir streiten wider die türken, umb unser
weib und kind willen. Denn wir lieber tod sein
wollen, ehe wir solche schande und unzucht an
den unsern sehen und leiden wollen. Denn die
türken treiben die leute zu markt, keufen und
verkeufens, brauchens auch wie das vihe, es .sei
man oder weib, jung oder alt, jungfrau oder ehe-
lich, das gar ein schendlich wesen ist umb das
türkisch wesen.
Darumb sollen die prediger die leute ver-
manen, gott zu bitten, das er uns für solchen
wütenden leuten behüte. Und sollen die leute
unterrichten, wie es ein rechter gottesdienst sei,
wider solche streiten, aus befelh der öbrickeit.
Von teglicher ubung in der kirchen.
Weiter, weil auch an viel enden die alten
cerimonien allenthalben abgethan, und wenig in
der kirchen gelesen, oder gesungen wird, hat man
dieses, wie hernach folget, geordenet, wie mans in
den kirchen und schulen, und sonderlich an den
örtern, da viel volks fürhanden, als in steden und
flecken, hinfürder halten mag.
Als nemlich, erstlich mag man alle tag frue
in der kirchen drei psalmen singen, lateinisch oder

1) 1538 statt [erbarkeit]: oberkeit.
2) [sehen] ist in der Ausg. von 1538 weggelassen.
3) 1538 statt [ists]: ist.

deutsch. Und die tage, so man nicht predigt,
mag durch einen prediger eine lection gelesen
werden, als nemlich, Mattheus, Lucas, die erste
epistel S. Johannis, beide S. Petri, S. Jacobs,
etliche S. Pauls episteln, als beide zu Timotheon,
zu Tito, zun Ephesern, zun Colossern. Und wenn
diese aus sind, sol mans wider forn anfahen. Und
der, so die lection lieset, sol darauf die leute ver-
manen, zu beten ein vater unser, für gemeine not,
sonderlich, was zu der1) zeit fürfellet, als umb
friede, narung, und sonderlich umb gottes gnade,
das er uns behüte und regire. Darnach mag die
ganze kirche ein deudsch gesang singen, und
darauf der prediger ein collect lesen.
Abends were es fein, das man drei vesper
psalmen sunge, latinisch und nicht deudsch, umb
der schüler willen, das sie des latinischen ge-
woneten. Darnach die reinen antifen, hymnos
und respons. Darnach möcht eine lection zu
deudsch gehalten werden, aus dem ersten buch
Mosi, aus dem buch der Richter, aus dem buch
der Könige. Nach der lection soll man heissen
ein vater unser beten. Darnach möcht man singen
das magnificat, oder te deum laudamus, oder bene-
dictus, oder quicunque vult salvus esse, oder reine
preces, damit die jugent auch bei der schrift bleibe.
Darnach möcht die ganze kirche ein deudsch ge-
sang singen, und der priester endlich die collecten
lesen.
In kleinen flecken, da nicht schüler sind, ist
nicht von nöten, das man teglich singe, es were
aber gut, das sie etwas süngen, wenn man pre-
digen wil.
In der wochen sol man predigen am mitwoch
und freitag.
Es sol auch ein pfarherr vleis ankeren, das
man nützliche und nicht schwere bücher fürneme
zu predigen. Das auch der glaube also geprediget
werde, das man der rechtschaffen christlichen
busse, gottes gericht, gottesforcht, und guter werk
[dermassen, wie hievor angezeigt und erkleret|2)
nicht vergesse, denn man on die busse glauben
nicht haben oder verstehen mag.
Am feiertag, soll man morgens und zur vesper
predigen, morgens das evangelion, nachmittag,
weil das gesinde und junge volk in die kirchen
kömpt, halten wir für gut, das man sontags nach
mittag stetigs für und für, die zehen gebot, die
artikel des glaubens, und das vater unser predige
und auslege. Die zehen gebot, dadurch die leute
zu gottesforcht vermanet werden. Darnach das
vater unser, das die leute wissen, was sie beten.
Nach dem sol man die artikel des glaubens
predigen, und den leuten vleissig anzeigen, diese

1) 1538 statt [ der]: dieser.
2) 1538 statt [erkleret]: verkleret.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften